Bauzinsen aktuell
Wohin geht die Reise bei Immobilienkrediten?
München, 22.02.2023 | 17:12 | bze
Im vergangenen Jahr um diese Zeit haben wir uns die Frage gestellt, ob die Zeit historisch niedriger Zinsen für Baufinanzierungen bald vorbei sein könnte. Tatsächlich haben sich von Anfang 2022 bis zum letzten Quartal die Bauzinsen mehr als verdreifacht, wenn man von einer zehnjährigen Zinsbindung ausgeht. Zum Januar 2023 gab es dann einen leichten Zinsruck nach unten, im Februar ging es wieder nach oben. Denn im März 2023 hat die EZB bereits weitere Anhebungen des Leitzinses angekündigt. Worauf müssen sich also Anschluss- und Baufinanzierer künftig einstellen? Bauzinsen aktuell: Wir haben bei den Experten Robert Annabrunner der Deutschen Bank, Thomas Hein von der ING und Ingo Foitzik von CHECK24 nachgefragt:
Ob Immobilien zur Eigennutzung oder als Kapitalanlage interessant sind, bestimmen die Kaufpreise und die angebotenen Zinssätze, die Kunden für eine Baufinanzierung zahlen müssen. Mit welcher Entwicklung der Zinssätze und der Kaufpreise rechnen Sie in 2023?
Thomas Hein, ING: Wir erwarten weiter steigende Zinsen, allerdings nicht mehr in der Geschwindigkeit und in der Höhe, wie im Vorjahr. Gegen Ende 2023 gehen wir von einer langsame Beruhigung des Marktes aus – abhängig natürlich von der Inflations- und Wirtschaftsentwicklung. Was die Immobilienpreise angeht: Erst einmal dürften die Preise leicht sinken – das allerdings regional ganz unterschiedlich. Mit Blick auf die Kundinnen und Kunden rückt die Modernisierung und Sanierung von bestehenden Immobilien zunehmend in den Fokus. Hier rechnen wir mit einem Anstieg der Finanzierungen rund um die energetische Optimierung von Immobilien. Beim Kauf von Bestandsimmobilien wird diese Frage von Bedeutung sein: Wie hoch ist der Bedarf an energetischer Sanierung? Das wird man künftig viel stärker als bisher einkalkulieren müssen. Die reinen Neubauvorhaben stagnieren erstmal auf dem aktuell niedrigem Niveau.Robert Annabrunner, Deutsche Bank: Immobilien dürften langfristig weiter attraktive Renditen erzielen. Denn Wohnungs- und Hauspreise werden auf lange Sicht auch künftig steigen. Solange die Inflation weiterhin hoch bleibt, sind weitere Zinserhöhungen die Folge. Das könnte den Preisanstieg bei Immobilien etwas dämpfen. Entsprechend muss man sich wohl von den exorbitant guten Renditen der Boomphase 2009 bis Anfang 2022 verabschieden. Auch dauerhaft steigende Mieten und der über Jahre absehbare Mangel an Wohnungen wird nicht dazu führen, dass die Renditen das Niveau der Boomphase wieder erreichen. Eine gute Nachricht: 2023 wird sich Baugeld nicht mehr wesentlich verteuern. Die Prognose unseres Hauses geht von einem Zins von 3,6 Prozent für ein Darlehen mit 10jähriger Laufzeit zum Jahresende aus.
Ingo Foitzik, CHECK24: Da auch weiterhin mit hohen Inflationsraten zu rechnen ist, wird die EZB ihre geplanten Zinserhöhungen umsetzen. Das hat auch Einfluss auf die Zinsen für Baufinanzierungen. Wir bei CHECK24 gehen daher im Jahresverlauf mit weiter steigenden Zinsen für Immobilienkredite aus. Neue Höchststände bei den Bauzinsen von über vier Prozent Zinsen sind durchaus möglich. Vor allem reagieren Banken und Bausparkassen auch weiterhin sehr unterschiedlich auf das Marktgeschehen, was einen Angebotsvergleich verschiedener Institute für neue günstige Finanzierungen und Anschlussfinanzierungen besonders relevant macht. Die Niedrigzinsphase ist erst mal vorbei, genauso wie der enorme Boom bei den Immobilienpreisen. Diese sind zuletzt sogar leicht gefallen. Verglichen mit den extremen Preisanstiegen der letzten Jahre kann man aber noch nicht von Schnäppchenpreisen sprechen. Auch in den kommenden Monaten könnten sich Kaufpreise selbst in Ballungsgebieten leicht nach unten korrigieren, werden aber zumindest in diesem Jahr auf hohem Niveau verbleiben.
Gibt es Prognosen über die zu erwartenden Immobilienpreise für verschiedene Lagen wie Metropolen und den ländlichen Raum?
Robert Annabrunner, Deutsche Bank: Trotz der Wohnungsknappheit in den Städten gibt es durchaus Gebiete, in denen zahlreiche Wohnungen leer stehen. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) spricht von rund zwei Millionen leer stehenden Wohnungen in Deutschland. Dies entspricht etwa fünf Prozent des gesamten Wohnungsbestands. Die freien Wohnungen sind jedoch sehr unregelmäßig über das Land verteilt. Ganz grob gesprochen liegen die Leerstandsquoten in den größten Städten wie Berlin, Hamburg oder München deutlich unter einem Prozent. In und nahe bei anderen Wirtschaftszentren wie Köln, Düsseldorf, Hannover, Frankfurt oder Stuttgart sind sie unter zwei Prozent. In Süddeutschland, abgesehen von Stuttgart, München und den benachbarten Landkreisen, belaufen sie sich auf rund drei Prozent. Im restlichen Westdeutschland sind sie sehr unterschiedlich und liegen zwischen vier und acht Prozent. In Ostdeutschland beträgt die Leerstandsquote sogar zehn Prozent und mehr. Berlin und die angrenzenden Landkreise sowie einige große Städten wie Dresden oder Leipzig sind hier ausgenommen. Wenn sich die Nachfrage also in die Randgebiete der Metropolregionen oder sogar ganz aus den Metropolregionen hinaus verlagern würde, würde auch der Preisdruck am deutschen Wohnungsmarkt sinken und Immobilien würden wieder erschwinglicher. Aber dies zeichnet sich nicht ab.Thomas Hein, ING: Das ist von Region zu Region unterschiedlich. Es gibt Gebiete, in denen die Preise nahezu stabil bleiben, in anderen wiederum – wie in vielen Metropolen – sinken sie bereits. Hier gab es in den vergangenen Jahren aber auch einen zum Teil explosionsartigen Preisanstieg. Mit Blick auf die wirtschaftliche und sozio-geografische Entwicklung sehen wir aktuell nicht, dass sich Immobilienpreise signifikant nach unten verändern. Solange Wohnraum gefragt ist, bleibt das Angebot begehrt.
Ingo Foitzik, CHECK24: Wie Herr Hein es bereits anmerkte, Wohnraum bleibt gefragt. Die Nachfrage bleibt vor allem in den Städten auf einem hohen Niveau, aber auch hier wird das Angebot an Immobilien immer größer. Ich habe mit einem großen Makler gesprochen, der aktuell viermal so viele Immobilien im Angebot hat wie sonst. Daher wird es auch in den Ballungsgebieten zu Preisreduzierungen kommen, wenn ein Verkäufer schnell verkaufen möchte. Laut dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) sind die Preise für Wohnimmobilien im vierten Quartal 2022 erneut gegenüber dem Vorquartal gefallen. Am stärksten gingen die Preise hier zuletzt in Frankfurt zurück, am wenigsten in Berlin. Bei Immobilien im ländlichen Raum halten wir einen noch stärkeren Rückgang im Laufe des Jahres für möglich. Wer kann und das möchte, sollte sich also immer auch im Speckgürtel der Großstädte nach interessanten Objekten umschauen
Hat sich die Vermutung bestätigt, dass Menschen seit der Corona Krise vermehrt in den ländlichen Raum ziehen, da mehr Homeoffice von den Unternehmen ermöglicht wurde?
Robert Annabrunner, Deutsche Bank: Auch wenn viele Menschen unter den Beschränkungen der Corona-Pandemie gespürt haben, wie eng eine Etagenwohnung sein kann – vor allem wenn dort noch ein Arbeitsplatz untergebracht werden muss – für die real umgesetzten Wohnortwechsel hat das nur im begrenzten Fall eine Rolle gespielt. Corona hat nicht zu leeren Metropolregionen geführt, auch wenn viele Menschen die Vorteile des Homeoffice schätzen gelernt und in Umfragen den Wunsch nach dem Leben auf dem Land geäußert haben. Daher ist es durchaus verständlich, dass zahlreiche Politiker nun ihren Wählern ein Recht auf Arbeiten im Homeoffice ermöglichen wollen. Aber ein verbrieftes Recht auf ausschließliche Arbeit von zuhause hätte zahlreiche Nebeneffekte und brächte gesamtwirtschaftlich betrachtet auch Nachteile mit sich. Die Kosten für die Arbeitgeber würden in vielen Fällen steigen, was wiederum einen Anreiz zum Stellenabbau schaffen könnte. Würde ein Großteil der Büroarbeit von zuhause erledigt, stiege die Nachfrage nach dem privatem Wohnraum. Er würde noch knapper und teurer, während der Markt für Büroraum unter geringer Nachfrage leiden würde.Ingo Foitzik, CHECK24: Während der Pandemie ging es vielen Menschen wahrscheinlich nicht in erster Linie um die Standortfrage und urban oder ländlich. Die eigenen vier Wände wurden viel mehr zum Sammelplatz aller Lebensbereiche: Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Urlaub, Kinder betreuen, Homeschooling. Durch die neue Wohnsituation sind bei einigen Bevölkerungsgruppen neue Wohnwünsche entstanden, wie etwa ein zusätzliches Zimmer oder ein Garten. Zudem sind die Wohnkosten ein entscheidender Faktor für die Überlegung auf das Land oder in den Speckgürtel einer Großstadt zu ziehen. Die steigenden Energiepreise werden in diesem Jahr das Thema finanzielle Belastung für Wohnraum und mögliche Einsparung durch einen Umzug zusätzlich anheizen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Im nächsten Monat lesen Sie bei Bauzinsen aktuell die Antworten der Experten auf die Frage, wie sich die Mietpreise in 2023 entwickeln werden, was bei Anschlussfinanzierungen zu beachten ist und welche Zinsbindung jetzt am sinnvollsten ist.
Unsere Experten im Kurzporträt