Preisüberhitzungen, Kreditwachstum und niedrige Zinsen
Gibt es eine Immobilienblase in Deutschland?
München, 15.10.2019 | 09:36 | skl
Die Zinsen sind niedrig, die Preise steigen weiter. Einige Experten sprechen schon von Überhitzungen am Immobilienmarkt. Befinden wir uns also schon mitten in einer Immobilienblase? Was würde das für Darlehensnehmer und Eigenheimbesitzer bedeuten? Was für und was gegen eine Blase spricht.
In der Tat kennen die Immobilienpreise in der Bundesrepublik derzeit nur eine Richtung – nach oben. Laut statistischem Bundesamt sind die Preise für Wohnimmobilien im zweiten Quartal dieses Jahres noch mal um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen. Und die letzten Jahre sah es nicht anders aus. Laut Bundesbank stiegen die Preise für Wohnimmobilien in Städten in den letzten drei Jahren im Schnitt um acht Prozent. Doch bedeutet der über Jahre anhaltende Preisanstieg und die extrem niedrigen Zinsen auch, dass es in Deutschland eine Immobilienblase gibt?
Ab wann spricht man von einer Immobilienblase?
Eine Immobilienblase zu identifizieren ist schwierig. In der Regel lässt sich erst mit eindeutiger Sicherheit von einer Immobilienblase sprechen, wenn diese geplatzt ist, wie etwa in den USA 2008. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht von zwei Risiken, die jeweils zu einer Immobilienblase führen können. Ein Risiko besteht in niedrigen Zinsen, das andere in einem spekulativen Anlageverhalten. Niedrige Zinsen führen zum einen dazu, dass sich auch Verbraucher dazu bemüßigt fühlen könnten, ein Eigenheim zu finanzieren, die es sich eigentlich nicht leisten können. Steigen die Zinsen im Anschluss, bekommen sie Schwierigkeiten, das Darlehen zurückzuzahlen – wie vor elf Jahren in den USA.Bei einer spekulativen Preisübertreibung sind Immobilienkäufer in Erwartung weiter steigenden Preise dazu bereit, einen spekulativen Aufpreis zu zahlen. Sie nehmen hohe Immobilienpreise in Kauf, weil sie hoffen, dass die Preise nach dem Kauf weiter steigen werden. Preisübertreibungen erkennt man in der Regel dadurch, dass die Preissteigerung nicht mehr mit dem Zusammenhang von Angebot und Nachfrage gerechtfertigt werden kann.
Preisübertreibungen werden mit dem Verhältnis von Immobilienpreisen und Mieten berechnet. Steigen die Immobilienpreise in einer Stadt oder Region deutlich stärker als die Jahresdurchschnittsmieten, deutet das auf Spekulation hin. Der Emprica Blasenindex beobachtete beispielsweise für Frankfurt am Main in 2005 ein Verhältnis von Kaufpreis zu Jahresmiete von 21,1. Im ersten Quartal dieses Jahres lag der Wert bei 38,3. Im Schnitt müssen Immobilienkäufer in Frankfurt also das 38-Fache der durchschnittlichen Jahresmiete für eine Immobilie bezahlen. Vor 14 Jahren war es noch das 21-Fache.
Doch spekulative Preisübertreibungen und niedrige Zinsen sind nur zwei Faktoren von vielen, die Voraussetzung für eine Immobilienblase sind. Weitere Einflussgrößen sind etwa die Kreditvergabestandards der Banken. Sind diese zu locker, könnten sie beispielsweise Darlehen an Kreditnehmer vergeben, die sich eigentlich kein Wohneigentum leisten könnten. Damit im Zusammenhang steht auch der Faktor Beleihungsauslauf. Sind die Eigenkapitalanteile der Darlehensnehmer zu niedrig, steigt das Risiko der Banken bei Zahlungsausfällen der Darlehensnehmer. Ein weiteres Anzeichen ist das Kreditvolumen. Steigt die Summe der vergebenen Immobilienkredite an, könnte das auf eine Immobilienblase hindeuten.
Was für eine Immobilienblase in Deutschland spricht
Der rasante Anstieg der Immobilienpreise wird nicht nur von Experten, sondern auch von offiziellen Stellen beobachtet. In ihrem Monatsbericht vom Februar dieses Jahres spricht die Bundesbank von Preisübertreibungen in Großstädten von 15 bis 30 Prozent. Der Empirica Blasenindex beobachtet in 72 Prozent der 401 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland eine mäßig bis hohe Blasengefahr. Die Autoren beziffern das Rückschlagspotential, welches die relative Preiskluft zwischen Kaufpreisen und Mieten von Eigentumswohnungen beschreibt, bundesweit mit 19 Prozent. In den sieben größten Städten der Republik liegt es gar bei 37 Prozent. Das bedeutet, sollte eine Immobilienblase platzen, könnten die Immobilienpreise in den betreffenden Regionen um diese Prozentzahlen einbrechen.Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat bereits im Oktober letzten Jahres davon gesprochen, dass, sollten viele Faktoren zusammen kommen, das Blasenrisiko steigt. Gegenüber dem Handelsblatt sagte Bafin-Präsident Alexander Hufeld: „Eine zu laxe Kreditvergabe kann in der Zukunft zu großen Problemen führen. Falls noch weitere Risikofaktoren hinzukommen, etwa geopolitische Risiken oder ein Einbruch der Konjunktur und bei den Immobilienpreisen, könnte ein perfekter Sturm drohen“. Aus diesem Grund erwog die Bafin auch, von den Banken einen Extra-Kapitalpuffer für Immobilienrisiken zu verlangen. Bereits seit 2017 hat die Bafin die Befugnis, auf Stabilitätsrisiken aufgrund von Immobilienfinanzierungen zu reagieren. So kann sie beispielsweise laut Paragraph 48u des Kreditwesengesetzes den Fremdkapitalanteil bei Immobilienfinanzierungen begrenzen.
Was gegen eine Immobilienblase in Deutschland spricht
Zwar werden in Deutschland von Jahr zu Jahr mehr Kredite zur Wohnimmobilienfinanzierung vergeben, das Wachstum des Kreditvolumens fällt allerdings moderat aus. Laut dem Verband der Deutschen Pfandbriefbanken wurden im letzten Jahr in Deutschland Immobiliendarlehen in Höhe von 227,8 Milliarden Euro vergeben, 2017 waren es 214,3 Milliarden Euro und 2016 209,4 Milliarden Euro. Bei vergangenen Immobilienblasen lag das Wachstum des Kreditvolumens deutlich höher.Die Banken vergeben zwar von Jahr zu Jahr mehr Kredite, aber das liegt nicht daran, dass sie ihre Kreditvergabestandards gelockert haben. Der Eigenkapitalanteil bei Baufinanzierungen liegt laut dem Verband der deutschen Pfandbriefbanken in Deutschland im Schnitt bei 20 Prozent. Das bedeutet, die große Mehrheit der Immobilienkredite wird an Darlehensnehmer vergeben, deren finanzielle Situation dies auch erlaubt. Auch die Bafin sah sich bislang noch nicht dazu veranlasst, wie angedacht einen Kapitalpuffer von den Banken einzufordern oder von ihrem Recht Gebrauch zu machen, den Fremdkapitalanteil bei Baufinanzierungen zu begrenzen.
Ein weiterer Punkt, der gegen eine Blase spricht ist, dass sich der Anstieg der Immobilienpreise bis auf wenige Ausnahmen durchaus mit der Nachfrage rechtfertigen lässt und sich spekulatives Anlageverhalten auf wenige Boomregionen konzentriert. Darüber hinaus wird der Zuzug in Großstädte wie München und Frankfurt aufgrund ihrer wirtschaftlichen Anziehungskraft nicht so schnell abebben, die hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien bleibt dort also erstmal konstant.
Des Weiteren sank die Zahl der Baugenehmigungen in der ersten Hälfte dieses Jahres. Laut statistischem Bundesamt ging die Anzahl der genehmigten Bauvorhaben zwischen Januar und Juni gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,3 Prozent zurück. Ein Grund dafür ist, dass die Zahl der bebaubaren Grundstücke immer kleiner wird und die Kommunen nicht genügend neues Bauland ausweisen. Doch der Bedarf an Eigenheimen ist weiterhin ungebrochen. Weniger erteilte Baugenehmigungen bei anhaltender Nachfrage nach Wohnimmobilien führen dazu, dass die Preise für Immobilien weiter steigen, anstatt zu fallen.
Die Bauzinsen werden auf absehbare Zeit auf ihrem niedrigen Niveau verharren. Das bedeutet, dass Kreditnehmer, deren Sollzinsbindung in naher Zukunft ausläuft, nicht Gefahr laufen, die Anschlussfinanzierung zu einem deutlich höheren Zinssatz aufnehmen zu müssen. Sie können sich ihre eigenen vier Wände auch weiterhin leisten.
Hinzu kommt, dass sich die Darlehensnehmer hierzulande die niedrigen Zinsen für einen möglichst langen Zeitraum sichern möchten. Die große Mehrheit der Baufinanzierungen hat deshalb vergleichsweise lange Sollzinsbindungen. Steigende Zinsen würden für diese Finanzierungen erstmal kein direktes Problem darstellen. Bei den Banken sieht es anders aus. Diese wären bei steigenden Zinsen dazu gezwungen, günstige Immobilienkredite mit langen Sollzinsbindungen zu höheren Kosten zu refinanzieren.
Was bedeutet es für Darlehensnehmer und Eigenheimbesitzer, wenn eine Immobilienblase platzt?
Was passiert, wenn eine Immobilienblase platzt, konnte man bereits bim Platzen der Immobilienblase 2008 in den USA und in der Folge auch in Spanien oder Irland sehen. Nachdem zuvor die Zinsen gestiegen waren, kam es zu Zahlungsausfällen, weil sich viele Darlehensnehmer die hohen Zinsen nicht mehr leisten konnten. Die Banken sahen sich gezwungen, die Immobilien zu verkaufen, um die Zahlungsausfälle kompensieren zu können. Dadurch vergrößerte sich das Immobilienangebot, woraufhin die Preise fielen. Die Folge waren Leerstände und Lücken in den Bilanzen der Banken. Im Anschluss wurde das Platzen der Immobilienblase vor allem für die Bankenbranche ein Problem, da die Zahlungsausfallrisiken zuvor gebündelt und an andere Banken weiterverkauft wurden.
Wenn die Zinsen steigen, sinkt auch die Nachfrage nach Immobilien, denn dann werden Baufinanzierungen für Verbraucher teurer. Auch das führt dazu, dass die Immobilienpreise sinken. Verbraucher, die vergleichsweise kurze Sollzinsbindungen gewählt haben, müssten die Anschlussfinanzierung zu höheren Zinsen aufnehmen. Können sie sich diese nicht leisten, müssten sie die Immobilie verkaufen. Liegt dann der Verkaufspreis der Immobilie unterhalb den Finanzierungskosten, sind die Verbraucher überschuldet.
Auch Eigenheimbesitzer, die ihre Immobilie bereits vollständig finanziert haben, könnten vom Platzen einer Immobilienblase betroffen sein. Dadurch, dass die Immobilienpreise stark sinken, verliert ihr Eigenheim an Wert. Unter Umständen liegt der Wert des Eigenheims dann unterhalb des Kaufpreises.