CHECK24 Expertenprognose
Kommen jetzt die Negativzinsen für Baufinanzierungen?
München, 26.09.2019 | 12:39 | skl
Die Zinsen für Baufinanzierungen sind in den letzten Monaten stark gesunken. In Dänemark bietet eine Bank ihren Kunden schon Negativzinsen für einen Immobilienkredit. Müssen Darlehensnehmer auch hierzulande weniger Geld zurückzahlen, als sie sich geliehen haben? Und werden die Bauzinsen weiter fallen? Wir haben Experten gefragt.
Kommen jetzt die Negativzinsen für Baufinanzierungen? Was sich manch angehender Immobilienbesitzer in der gegenwärtigen Situation vielleicht fragt, hat durchaus seine Berechtigung. Denn die Finanzmärkte sind in Bewegung. Mitte des Monats hat die Europäische Zentralbank den Einlagezins von -0,4 Prozent auf -0,5 Prozent gesenkt. Für Geschäftsbanken ist es nun teurer, überschüssige Gelder bei der EZB zu parken. Stattdessen werden sie noch mehr dazu animiert, Kredite an Verbraucher zu vergeben. Vor wenigen Tagen zog die amerikanische Notenbank FED nach und senkte ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf eine Spanne von 1,75 bis 2,0 Prozent.
Kurz vor der Lockerung der Geldpolitik durch die obersten Euro-Währungshüter notierten die Bundesanleihen mit 30 Jahren Laufzeit kurzfristig im negativen Bereich. Heißt: wer sein Geld für 30 Jahre in diesen Tagen der Bundesrepublik Deutschland überlies, musste dafür zahlen, anstatt Zinsen zu bekommen. Die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen wirken sich auch auf die Renditen von Pfandbriefen aus über die Banken ihre Immobilienkredite refinanzieren.
Dagegen bietet die Jyske Bank in Dänemark laut Spiegel eine Baufinanzierung mit zehn Jahren Sollzinsbindung zu einem Negativzins von -0,5 Prozent an. Wer sich dort Geld leiht um eine Immobile zu kaufen oder zu bauen, bekommt also noch Geld oben drauf. Das gab es noch nie. Wie geht es jetzt also weiter? Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen für die Bauzinsen hierzulande und wie sollen sich potenzielle Bauherren und Wohnungskäufer jetzt verhalten?
Zinsen für Immobilienkredite im freien Fall
Die Zinsen für Immobiliendarlehen befinden sich seit Anfang des Jahres im Sinkflug. Im Januar war laut CHECK24 Zins-Chart eine Baufinanzierung mit einer Sollzinsbindung von zehn Jahren zu einem Sollzins von 1,10 Prozent zu haben, Ende August lag der Zinssatz mit 0,40 Prozent fast zwei Drittel darunter. Der Grund dafür lag in dem starken Rückgang der Pfandbrief-Renditen über die Banken die vergebenen Immobilienkredite refinanzieren. Notierten Euro-Pfandbriefe mit siebenjähriger Laufzeit laut Finanz-Szene.de Anfang des Jahres noch bei 0,4 Prozent, waren es Anfang August -0,52 Prozent. Angesichts der weiteren Lockerung der Geldpolitik durch die EZB dürfte sich der Trend sinkender Zinsen auch künftig fortsetzen. Hinzu kommen politische Unsicherheiten wie der sogenannte Handelskrieg zwischen den USA und China oder der Brexit, die dafür sorgen, dass Anleger in vermeintlich sichere Häfen wie beispielsweise deutsche Staatsanleihen fliehen, wodurch deren Renditen weiter sinken, was indirekt auch die Zinsen von Baufinanzierungen drückt. Doch wie weit nach unten kann es für die Bauzinsen noch gehen? Genau das haben wir die Baufinanzierungsexperten von CHECK24 und unseren Partnerbanken gefragt.
Das sagen die Experten zu den aktuellen und künftigen Bauzinsen
Die EZB hat jüngst ihre Geldpolitik gelockert. Wie wirkt sich das auf die Entwicklung der Bauzinsen aus?
Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING: Zunächst einmal werden wir weiter mit den aktuellen Niedrigzinsen leben. Ich sehe auch für 2020 in dieser Hinsicht keine große Veränderung. Abzuwarten bleibt der Einfluss von zwei Faktoren in diesem Jahr. Erstens: Wie wird sich die Konjunktur entwickeln? Und zweitens: Welche Geldpolitik wird die neue EZB-Chefin Christine Lagarde verfolgen? Unabhängig davon sage ich auch weiterhin: Die Lage bleibt – bei zeitweiligen Zinsausschlägen nach oben und nach unten – stabil.
Robert Annabrunner, Bereichsleiter Baufinanzierung DSL Bank: Während die Lockerung der Geldpolitik für Sparer eine schlechte Nachricht ist, können sich Kreditnehmer auch weiterhin auf niedrige Zinsen einstellen. Auch nach der jüngsten EZB-Entscheidung dürften sich die Bauzinsen kaum verändern. Bemerkenswert waren aber die Zeichen der EZB in Richtung auf die künftige Zinsentwicklung. Sie signalisierte den Märkten, dass die Notenbank die Leitzinsen solange auf dem aktuellen oder sogar noch niedrigeren Niveau belassen wird, bis sich die Inflation im Euroraum dem EZB-Ziel von knapp zwei Prozent angenähert hat. Da die Währungshüter selbst in den kommenden zwei bis drei Jahren nicht mit einem Anstieg der Inflation rechnen, dürfen die Zinsen noch für längere Zeit sehr niedrig bleiben. Bauherren und Immobilienerwerber können sich also weiter über anhaltend günstige Bauzinsen freuen.
Ingo Foitzik, Geschäftsführer Baufinanzierung bei CHECK24: Dass die EZB den Einlagezins weiter gesenkt hat, dürfte sich nur marginal auf die Bauzinsen auswirken, denn sie befinden sich gegenwärtig schon auf einem sehr tiefen Niveau. Vielmehr könnten die Entscheidung und die wirtschaftliche Entwicklung dazu beitragen, dass sich die momentane Situation zementiert.
Halten Sie es für möglich, dass Banken hierzulande auf absehbare Zeit Immobilienkredite mit negativen Zinsen anbieten?
Thomas Hein: Immobilienkredite mit negativen Zinsen gibt es in einigen Ländern bereits heute schon – siehe das oben angeführte Beispiel. Wir können nicht beurteilen, ob einzelne Institute Negativzinsen für Immobilienkredite in Deutschland einführen werden. Wir selbst planen es aktuell nicht.
Robert Annabrunner: Auch die deutschen Zinsen für Immobiliendarlehen nähern sich der Nullmarke immer weiter an. Der Bestzins zehnjähriger Hypothekendarlehen sank im August erneut auf ein historisches Allzeit-Tief. Kurzfristig halte ich es aber für unwahrscheinlich, dass Banken in Deutschland Immobiliendarlehen mit negativer Verzinsung anbieten. Natürlich beobachtet auch die DSL Bank sehr aufmerksam und fortlaufend die Auswirkungen der negativen Marktzinsen auf die Kunden und andere Banken. Die Einführung negativer Zinsen für Baufinanzierungen ist aktuell von uns aber nicht geplant.
Ingo Foitzik: Auch wenn die eine oder andere Bank außerhalb Deutschlands ihren Kunden schon Baufinanzierungen zum Negativzins anbietet, so gehen wir derzeit nicht davon aus, dass wir in naher Zukunft so etwas flächendeckend auf dem deutschen Markt beobachten werden. Sonderangebote mit Negativzinsen, die sich an besonders bonitätsstarke Darlehensnehmer richten, sind vielleicht in Einzelfällen möglich, bislang ist mir sowas aber von keiner Bank bekannt. Darlehensnehmer sollten jedenfalls nicht darauf warten, dass sie für ihr Eigenheim weniger Geld zurückzuzahlen brauchen als sie sich geliehen haben.
Was raten Sie angehenden Eigenheimbesitzern – wie sollten sie mit dem aktuellen Zinstief umgehen?
Thomas Hein: Die individuelle Betrachtung eines Finanzierungsvorhabens ist wichtiger denn je. Ob jetzt der richtige Zeitpunkt für das Investment in Immobilien ist, hängt von der persönlichen Lebenssituation jedes Einzelnen ab und davon, ob das Objekt in Preis und Lage auch wirklich passt. Am Ende stellt sich – Niedrigzins hin oder her – immer die Frage: Kann ich mir die Immobilie leisten? Von einer schnellen Entscheidung rate ich auch in vermeintlich verlockenden Zeiten wie heute unbedingt ab.
Robert Annabrunner: In der derzeitigen Niedrigzinsphase sollten sich Käufer grundsätzlich die Zinsen möglichst lange sichern; bis zu 30 Jahre werden etwa von der DSL Bank als Annuitäten-Darlehen geboten. Ist die Bonität ausreichend, sind angehende Eigenheimbesitzer natürlich mit einem Volltilgerdarlehen auf der sicheren Seite – unabhängig von der Entwicklung des Zinsmarktes. Auch ein Forwarddarlehen kann sich durchaus lohnen, wenn die Sollzinsbindung des bestehenden Darlehens in den kommenden fünf Jahren ausläuft. So können sich unsere Kunden die niedrigen Zinsen von heute für die Anschlussfinanzierung sichern.
Ingo Foitzik: Potentielle Häuslebauer und Wohnungskäufer, die planen, demnächst in die eigenen vier Wände zu ziehen, sollten ihr Augenmerk nicht ausschließlich auf den Zins richten. Zwar machen hier wenige Prozentpunkte schon große Unterschiede bei den Kosten aus, aber eine Finanzierung über einen langen Zeitraum sollte sorgfältig geplant sein. Überstürzt handeln sollte keiner, die Zinsen werden wahrscheinlich auch mittelfristig auf dem aktuellen Niveau verharren.
So kommen die Bauzinsen zustande
Die Bauzinsen werden maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst. Zum einen wirken sich die Leitzinsen der EZB indirekt auch auf die Zinsen für Immobilienkredite aus. Seit der Senkung des Einlagezinses in der ersten Septemberhälfte ist es für die Banken teurer geworden, überschüssiges Geld bei der Zentralbank zu parken. Um weniger Zinsen für überschüssiges Geld bei der EZB zu bezahlen, versuchen die Banken, das Geld in Form von Krediten unter die Leute zu bringen. Verlangt eine Bank dafür weniger Zinsen als eine andere Bank, wird sie ihr Geld besser los. So ist jede Bank versucht, die Zinsen der anderen Bank zu unterbieten – eine Abwärtsspirale. Aus diesem Grund machen auch Immobilienkredite mit Negativzinsen für die Banken Sinn. Denn liegt der Negativzins eines Immobilienkredits, den eine Bank vergibt, unterhalb dem Einlagezins bei der EZB, muss die Bank für diesen Betrag weniger Zinsen an den Darlehensnehmer zahlen, als an die Zentralbank.
Einen größeren Einfluss auf die Bauzinsen hat dagegen die Rendite der Bundesanleihen. Das liegt daran, dass Banken Immobilienkredite in der Regel über Pfandbriefe refinanzieren. Die Zinsen für Pfandbriefe werden von der deutschen Girozentrale festgelegt, die sich dabei an den Renditen für deutsche Bundesanleihen orientiert. Sinken also die Renditen für deutsche Staatsanleihen, sinken auch die Renditen für Pfandbriefe, wodurch die Refinanzierung von Immobilienkrediten für die Banken günstiger wird.
Sind Negativzinsen für Immobilienkredite in Deutschland überhaupt denkbar?
Negativzinsen auf Sparguthaben gibt es in Deutschland schon. Einige Banken wie etwa die Hamburger Sparkasse und die Nassauische Sparkasse verlangen schon auf Guthaben über 500.000 Euro einen Negativzins von -0,4 Prozent von ihren Kunden. Im Sommer setzten auch einige Politiker das Thema Negativzinsen auf die Agenda. So forderte etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder öffentlichkeitswirksam, Einlagen bis 100.000 Euro sollten grundsätzlich von Strafzinsen ausgenommen werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz will bereits prüfen lassen, ob Negativzinsen überhaupt rechtlich machbar sind.
Auch bei Ratenkrediten gab es schon Negativzinsen. Aktuell bietet CHECK24 Kreditnehmern als Sonderaktion einen Zins von -0,4 Prozent für einen Kredit über 1.000 Euro zu zwölf Monaten Laufzeit. Wenn es bereits Negativzinsen auf Sparguthaben und Ratenkredite gibt, warum dann nicht auch für Baufinanzierungen? Für die Bundesbank ist das durchaus vorstellbar. So sagte Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling, der bei der Notenbank für die Bankenaufsicht zuständig ist, laut Stuttgarter Zeitung: „Betriebswirtschaftlich kann es für eine Bank sinnvoll sein, Kredite negativ zu verzinsen anstatt selbst noch höhere Zinsen bei einer anderen Verwendung zu bezahlen“.
Ein überraschendes Problem auf dem Weg zu Negativzinsen scheint die technische Umsetzung zu sein. So sind die Programme einiger Banken beispielsweise gar nicht auf ein Minuszeichen vor der Eingabe ausgerichtet. Auch, was Negativzinsen für Tilgungspläne bedeuten ist noch vollkommen offen. Vermutlich würden Banken, wenn es denn so weit käme, den Darlehensnehmern Rabatte bei der Tilgung gewähren, so dass ein Darlehensnehmer mit einem Darlehen über 400.000 Euro vereinfacht gesagt nur 399.000 Euro zurückzahlen müsste, ähnlich der mit -0,4 Prozent verzinsten Ratenkredit-Finanzierung von CHECK24.
Abwarten oder zugreifen? Was angehende Eigenheimbesitzer jetzt tun sollten
Die Bauzinsen sind niedrig und kurzfristig ändert sich daran wohl auch nichts so schnell. Deshalb sollten potentielle Darlehensnehmer jetzt Ruhe bewahren und vor allem die Finanzierung sorgfältig planen. Wer beispielsweise schon eine Immobilie im Auge hat, kann mithilfe des CHECK24 Budgetrechners herausfinden, ob er sich diese Immobilie leisten kann. Unter Umständen kann eine längere Sollzinsbindung von 20 oder gar 25 Jahren nicht schaden. Zwar schlagen die Banken für längere Sollzinsbindungen den einen oder anderen Prozentpunkt auf den Zins auf, aber auf diese Weise sichern sich Darlehensnehmer die aktuell günstigen Zinsen für einen langen Zeitraum.