Abwarten oder finanzieren
So entwickeln sich die Zinsen für Baufinanzierungen
München, 19.10.2017 | 13:48 | skl
Schon kleine Veränderungen beim Zins können den Immobilienkauf erheblich verteuern. Aktuell stehen die Notenbanken vor einer geldpolitischen Wende. Wie bald müssen Häuslebauer mit höheren Zinsen rechnen?
Günstiger werden Baufinanzierungen nicht mehr
Was ein Zinsunterschied von fast 0,3 Prozentpunkten bedeuten kann, zeigt folgendes Beispiel: Familie Voss möchte gerne ein Einfamilienhaus im Wert von 425.000 Euro finanzieren. 125.000 Euro bringen sie an Eigenkapital mit. Die Familie nimmt also ein Darlehen von 300.000 Euro mit einer Sollzinsbindung von zehn Jahren, einem Zinssatz von 1,05 Prozent und einer anfänglichen Tilgung von drei Prozent auf. Das würde Familie Voss bis zum Ende der Sollzinsbindung 26.911 Euro an Zinsen kosten. Hätte die Familie schon vor einem Jahr die Finanzierung zu dem damals durchschnittlichen Zinssatz von 0,76 Prozent begonnen, würde die Zinsbelastung bis zu diesem Zeitpunkt nur 19.512 Euro betragen. Das ergibt schon bis zum Auslaufen der Sollzinsbindung einen Unterschied von 7.399 Euro.Werden Immobiliendarlehen demnächst noch kostspieliger? Kurzfristig erwarten die CHECK24 Baufinanzierungsexperten keine höheren Zinsen für Immobiliendarlehen. „Zu Beginn des kommenden Jahres müssen Bauherren dann aber mit einem leichten Anstieg rechnen", sagt Ingo Foitzik. Das liegt vor allem an der Geldpolitik der Notenbanken, die sich unmittelbar auf die Zinsen für Baufinanzierungen auswirkt.
Notenbankpolitik beeinflusst Zinsen direkt
So geschehen im Juli dieses Jahres, als Mario Draghi, der Präsident des Rates der Europäischen Zentralbank, eine eher unbedeutende Rede am Rande einer Konferenz in Portugal hielt. Die positiven Signale über die konjunkturelle Entwicklung schürten die Erwartungen um eine baldige Abkehr von der Niedrigzinspolitik. Alleine diese Erwartungen ließen die Zinsen für eine Baufinanzierung mit zehn Jahren Zinsbindung bei vielen Banken um bis zu 0,2 Prozent steigen.Derzeit spielen Erwartungen an die Notenbanken erneut eine große Rolle. Auf ihrer Sitzung am 20. September beschloss die US-Notenbank Fed, noch im Oktober mit dem Verkauf der erworbenen Staatsanleihen zu beginnen. Das würde sich auch auf die Zinsen für Baufinanzierungen hierzulande auswirken.
So werden die Zinsen für Baufinanzierungen festgelegt
Viele Banken refinanzieren Immobilienkredite über Pfandbriefe. Je mehr Zinsen eine Bank für Pfandbriefe bezahlen muss, desto höher ist auch der Zins, den sie für eine Baufinanzierung ansetzt. Die Zinsen für Pfandbriefe werden von der Deutschen Girozentrale festgelegt. Diese orientiert sich wiederum an den Renditen für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Renditen für Bundesanleihen richten sich unter anderem nach den Renditen für US-Staatsanleihen. Steigen also die Zinsen für US-Staatsanleihen, wirkt sich das indirekt auf die Zinsen für Baufinanzierungen in Deutschland aus.
Mit welchen Zinsen müssen Häuslebauer also kurz- bis mittelfristig rechnen? Beginnt die amerikanische Notenbank tatsächlich mit dem Verkauf der von ihr zuvor erworbenen Staatsanleihen, steigen die Zinsen für diese Wertpapiere. Dadurch würden zeitversetzt auch die Zinsen für Bundesanleihen steigen und somit auch die für Pfandbriefe und Baufinanzierungen hierzulande.
Außerdem wirken sich Zinsänderungen der Notenbanken auf die Zinsen für Baufinanzierungen aus. Die Chefin der amerikanischen Notenbank hat eine dritte Zinserhöhung noch in diesem Jahr nicht ausgeschlossen. Aktuell liegt der Leitzins in den USA bei 1,0 bis 1,25 Prozent. Ein weiterer Zinsschritt würde die Europäische Zentralbank weiter unter Druck setzen, die bisher an ihrem Nullzins festhält.
EZB vor geldpolitischer Wende
Im September lag die Inflation im Euroraum bei 1,5 Prozent. Einen nachhaltigen Anstieg der Inflation sehen die obersten EU-Währungshüter bisher nicht. Erst bei einer Inflation von knapp unter zwei Prozent wäre aus ihrer Sicht Preisstabilität erreicht. Deshalb plant die EZB zumindest bis zum Ende des Jahres weiterhin jeden Monat Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von 60 Milliarden Euro zu kaufen. Auf der Ratssitzung am 26. Oktober könnte jedoch über eine Anpassung des Anleihekaufprogramms entschieden werden. Im September verkündete Mario Draghi erneut, dass der Leitzins auch weit über das Ende der Anleihekäufe hinaus unverändert bleibt. Bedeutet das vorerst Entwarnung? Nicht ganz.Darum kauft die EZB Anleihen
Mit ihrem Anleihekaufprogramm betreibt die EZB eine sogenannte Quantitative Lockerung (Englisch: Quantitative Easing). Das ist eine geldpolitische Maßnahme, mit der die Europäische Zentralbank die Zinsen senken möchte. Dazu kauft sie den Geschäftsbanken Staats- und Unternehmensanleihen ab, wodurch der Kurs dieser Anleihen steigt und zusätzliches Geld ins Bankensystem fließt. Die Geldmenge (Quantität) wird größer, daher die Bezeichnung. Durch den Ankauf steigen die Kurse für Anleihen, während die Zinsen für diese Wertpapiere sinken. Mit dem zusätzlichen Zentralbankgeld sollen Geschäftsbanken dazu gebracht werden, günstige Kredite zu vergeben, was den Konsum, die Investitionen von Unternehmen in Produktionsmittel und Arbeitskräfte und letztendlich die Inflation antreiben soll. Zentralbanken greifen zum Quantitative Easing, wenn andere geldpolitische Maßnahmen zu Erhöhung der Inflation, etwa die Senkung des Leitzinses, bereits ausgereizt sind.
Viele Experten rechnen damit, dass die Zentralbank Anfang nächsten Jahres vorsichtig mit dem Ausstieg aus ihrer Niedrigzinspolitik beginnen wird. Ein erster Schritt wäre, den Ankauf von Staats-und Unternehmensanleihen bereits im Januar zu drosseln. Sowohl Mitglieder des EZB-Direktoriums wie Sabine Lautenschläger als auch Mitglieder des Rats der EZB wie der österreichische Notenbank-Gouverneur Ewald Nowonty vertraten kürzlich auf Veranstaltungen in Stuttgart, beziehungsweise in Wien, die Meinung, dass die Zentralbank im nächsten Jahr den Ankauf von Staatsanleihen schrittweise herunterfahren sollte. In diesem Fall würden die Zinsen für Staatsanleihen und damit indirekt auch die Zinsen für Baufinanzierungen steigen – auch ohne dass die EZB den Leitzins an sich anhebt.