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Flexibilität oder Sicherheit?

Warum eine Sollzinsbindung oft die bessere Wahl ist als eine variable Verzinsung

München, 15.04.2019 | 11:34 | skl

Wer eine Baufinanzierung abschließt, hat die Wahl zwischen einem variablen Darlehen und einem mit Sollzinsbindung. Welche Finanzierung für welchen Darlehensnehmer besser geeignet ist und wo die Unterschiede liegen.

Immobilienkredite
Eine variable Verzinsung bietet bestimmte Vorteile, kann aber auch teurer sein als eine Sollzinsbindung.
Baufinanzierungen erstrecken sich über Jahrzehnte. Über so lange Zeiträume lassen sich so gut wie keine Vorhersagen treffen – erst recht nicht, was die Zinsentwicklung betrifft. Wer trotzdem Planungssicherheit über die anfallenden Kosten wünscht, kann einen Immobilienkredit mit Sollzinsbindung über lange Zeiträume abschließen. Für angehende Eigenheimbesitzer, die lieber flexibel bleiben möchten, bieten viele Banken und Versicherungen auch Darlehen mit einer variablen Verzinsung an. Anders als bei einer Sollzinsbindung, bei der die Zinsen für fünf Jahre bis hin zu mehreren Jahrzehnten gleichbleiben, richtet sich eine variable Verzinsung nach den aktuellen Marktzinsen und kann sich mehrmals im Jahr ändern. Bleibt die Frage: Welche von beiden Zinsoptionen ist die nun die bessere?

Variabel versus gebunden: Wo liegt der Unterschied?

Wie der Name schon sagt, sind bei einem Darlehen mit variabler Verzinsung die Zinsen nicht festgeschrieben, sondern werden je nach gewählter Laufzeit alle drei bis sechs Monate an den Marktzins angepasst. Dabei orientieren sich die Banken in Europa meist am sogenannten Euribor. Bei einem Baukredit mit variabler Verzinsung müssen sich Darlehensnehmer also entsprechend auf Zinsschwankungen und damit einhergehend eine sich ändernde monatliche Rate einstellen. Heißt konkret: Mit einem variablen Baudarlehen können Bauherren und Immobilienkäufer vorab nicht überblicken, welche Kosten auf sie zukommen. Erst, nachdem das Darlehen vollständig abbezahlt wurde, lassen sich die angefallenen Kosten beziffern.

Im Gegensatz dazu haben Darlehensnehmer mit einer festen Sollzinsbindung dank Tilgungsplan von Anfang an volle Kostenkontrolle und kennen bereits zu Abschluss des Immobilienkredits die anfallenden Gesamtkosten bis zum Ende der Zinsbindungsfrist und die Höhe der monatlich zu zahlenden Rate.
 

Was ist der Euribor?

Euribor ist eine Abkürzung für Euro Interbank Offered Rate. Beim Euribor handelt es sich um fünf verschiedene Referenzzinssätze für fünf unterschiedliche Laufzeiten von einer Woche, einem Monat, drei Monaten, sechs Monaten und zwölf Monaten, zu denen sich europäische Banken untereinander Geld in Euro leihen. Die Euribor-Werte werden jeden Tag aufs Neue festgelegt und ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. In der Regel richten sich die Zinsen bei Baufinanzierungen mit variablen Darlehen direkt nach den Euribor-Werten und werden mit einem festen Aufschlag versehen. Beträgt beispielsweise der Drei-Monats-Euribor -0,310 Prozent und schlägt die Bank den Wert eins auf, würde der Zins bei einer variablen Verzinsung für die nächsten drei Monate bei 0,69 Prozent liegen. Steigt der Euribor, steigen auch die Zinsen einer variabel verzinsten Baufinanzierung und umgekehrt.

Was bringt eine variable Verzinsung?

Ein großer Vorteil eines Darlehens mit variabler Verzinsung ist die Flexibilität, die Darlehensnehmer bei ihrer Baufinanzierung erhalten. Da es bei einer Finanzierung zu variablen Zinsen keine vertraglich vereinbarte Zinsbindungsfrist gibt, können Darlehensnehmer den Baukredit bei Bedarf zum nächsten Zinsanpassungstermin kündigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen zu müssen. Auch Sondertilgungen lassen sich so problemlos zu den jeweiligen Stichtagen in beliebiger Höhe vornehmen. Die meisten Banken bieten ihren Kunden zudem ein Wandlungsrecht an. Das besagt, dass Darlehensnehmer das Darlehen jederzeit in einen Immobilienkredit mit Sollzinsbindung bei derselben Bank umwandeln können.

Diese Flexibilität haben Darlehensnehmer mit einer Sollzinsbindung nicht. Sie können ihr Darlehen frühestens zehn Jahre nach der letzten Auszahlung  oder vertraglichen Anpassung kündigen, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Wer vorher aus seiner Finanzierung aussteigen will, der muss in den meisten Fällen eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen, wenn die Bank der vorzeitigen Rückführung überhaupt zustimmt. Auch in puncto Sondertilgungen sind Darlehensnehmer eingeschränkter – meist steht ihnen ein jährliches Sondertilgungsrecht über fünf Prozent der Darlehenssumme zu. Für alles, was darüber hinausgeht, entstehen aber zusätzliche Kosten – etwa in Form eines Zinsaufschlages.

Welche Risiken bringt eine variable Verzinsung mit sich?

Die Unterschiede zwischen einem Darlehen mit variablen Zinsen und einem Darlehen mit einer Sollzinsbindung wirken sich auch auf die Kosten der Finanzierung aus. Während bei einem Immobilienkredit mit Zinsbindungsfrist die Höhe der monatlichen Rate und der Zins immer gleich bleiben, ändern sich beim variablen Darlehen Zins und monatlichen Rate. Sinken die Zinsen, wird die Finanzierung günstiger, steigen sie, müssen Darlehensnehmer nicht nur eine höhere Zinsbelastung in Kauf nehmen, sondern auch eine höhere monatliche Rate. Dadurch schränkt sich der finanzielle Spielraum des Darlehensnehmers ein. Zwar benachrichtigen Banken die Darlehensnehmer in der Regel bei jeder Zinsanpassung, aber wer ein variables Darlehen abschließt, muss sich ständig über die aktuelle Zinslage informieren – bei Zeiträumen, die Baufinanzierungen üblicherweise abdecken, eine langwierige Angelegenheit.

Die Vor- und Nachteile einer variablen Verzinsung auf einem Blick


+ Darlehen lässt sich zu jedem Zinsanpassungstermin ganz oder teilweise kündigen

+ Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung

+ Lässt sich in ein Darlehen mit Sollzinsbindung umwandeln

- Darlehensnehmer haben keine Kenntnis von den Gesamtkosten der Finanzierung

-/ + Zinsschwankungen: Zins wird alle drei oder sechs Monate an Marktzinsen angepasst

-/+ Höhe der monatlichen Rate flexibel

- Ein variables Darlehen muss ständig beobachtet werden

Variables Darlehen oder Baukredit mit Sollzinsbindung: Was kostet mehr?

Ob für angehende Häuslebauer und Wohnungskäufer ein Darlehen mit einer variablen Verzinsung günstiger oder teurer ist als ein Darlehen mit Sollzinsbindung, lässt sich nicht pauschal beantworten. Denn die Kosten einer variablen Verzinsung werden maßgeblich durch die künftige Zinsentwicklung bestimmt. Wie sich Zinsänderungen auf die Kosten einer variablen Finanzierung auswirken können, zeigt folgende Beispielrechnung:

Frau Küpper nimmt im April 2019 ein variables Darlehen über 300.000 Euro auf, zu einem anfänglichen Zinssatz von 2,00 Prozent und mit einer anfänglichen Tilgung von 1,00 Prozent. Ihre Bank passt den Zinssatz alle drei Monate an den Euribor an. Frau Küppers Instinkt liegt richtig, in den folgenden Monaten fallen die Zinsen weiter – auf zwischenzeitlich 1,85 Prozent jährlich. Dadurch sinkt auch die Höhe der monatlichen Rate von ursprünglich 750 auf 709 Euro. Doch schon ein Jahr später, im Mai 2020, beginnen die Zinsen zu steigen. 18 Monate nach Aufnahme des Darlehens muss Frau Küpper schließlich jeden Monat rund 55 Euro mehr zahlen. Auch bei den nächsten Zinsanpassungen steigen die Bauzinsen weiter. Nach zwei Jahren dämmert Frau Küpper, dass – wenn es so weiter geht – ihre monatliche Rate irgendwann den Rahmen sprengen wird. Im April 2021 beschließt sie, ihr Wandlungsrecht zu nutzen und bei ihrer Bank innerhalb eines Monats von ihrem variablen Darlehen in eine Baufinanzierung mit gebundenem Zinssatz zu wechseln. Eine Vorfälligkeitsentschädigung muss sie nicht bezahlen. Zu diesem Zeitpunkt hat sie beim variablen Darlehen schon 12.542 Euro an Zinsen gezahlt und 5.958 Euro vom Darlehensbetrag getilgt.

Einmal durchgerechnet zeigt sich: Sie hat mit der erstmal so günstig erscheinenden variablen Verzinsung mehr gezahlt, als sie hätte zahlen müssen. So hätte sie im April 2019 ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung schon zu einem Sollzins von 1,12 Prozent erhalten. Nach zwei Jahren mit Sollzinsbindung hätte Frau Küpper laut Tilgungsplan mit 6.608 Euro weniger als die Hälfte der Zinsen gezahlt, die sie bei dem variablen Darlehen zahlen musste. Gleichzeitig hätte sie mit 10.922 Euro schon einen größeren Teil des geliehenen Betrages getilgt.

Grund für diesen gravierenden Unterschied: Variable Darlehen werden in der Regel zu einem leicht höheren Zinssatz vergeben als Darlehen mit Sollzinsbindung. Doch auch der in dieser Rechnung beispielhafte Anstieg der Zinsen trägt zu den höheren Kosten bei. Die folgende Tabelle zeigt, wie groß die Kostenunterschiede zwischen einer variablen Verzinsung und einer Sollzinsbindung sein können – und das schon nach wenigen Jahren.

Rahmenbedingungen:
Darlehensbetrag: 300.000 Euro
(Anfängliche) monatliche Rate: 750 Euro
Tilgungssatz variables Darlehen: 1,00 Prozent (anfänglich)
 
Variabel Verzinsung versus Sollzinsbindung
- Variables Darlehen, Auszahlungs­termin 01.04.2019 Darlehen mit Sollzins­bindung (10 Jahre), Auszahlungs­termin 01.04.2019
Zeitraum Zins (soll) Mtl. Rate in Euro Zins-Zahlungen (kumuliert) in Euro Restschuld in Euro Zins (soll) Mtl. Rate in Euro Zins-Zahlungen (kumuliert) in Euro Restschuld in Euro
Mai 2019 – Juli 2019 2,00 750 1.499 299.248 1,12 750 840 299.060
August 2019 – Oktober 2019 1,95 736 1.458 298.499 1,12 750 836 297.646
November 2019 – Januar 2020 1,85 709 1.379 297.752 1,12 750 832 296.228
Februar 2020 – April 2020 2,00 744 1.488 297.006 1,12 750 828 294.806
Mai 2020 – Juli 2020 2,12 772 1.573 296.263 1,12 750 824 293.380
August 2020 – Oktober 2020 2,26 805 1.672 295.521 1,12 750 820 291.950
November 2020 – Januar 2021 2,32 818 1.713 294.780 1,12 750 816 290.516
Februar 2021 – April 2021 2,39 835 1.760 294.035 1,12 750 812 289.078
Nach zwei Jahren - - 12.542 295.035 - - 6.608 289.078
                                                                                                                                                                                                     
Das neue Darlehen von Frau Küpper hat eine Sollzinsbindung von acht Jahren, zu einem Sollzinssatz von 1,59 Prozent. Nach zehn Jahren hat sie mit beiden Darlehen insgesamt 48.016,03 Euro an Zinsen gezahlt und 43.562,53 Euro vom ursprünglichen Darlehensbetrag getilgt. Hätte sie von Beginn an im April 2019 eine Sollzinsbindung zu einem Sollzins von 1,12 Prozent abgeschlossen, hätte sie am Ende der zehnjährigen Zinsbindung 30.630 Euro an Zinskosten zahlen müssen und 59.650 Euro vom ursprünglichen Darlehensbetrag getilgt und damit 17.386 Euro an Zinskosten gespart.
Unsere Beispielrechnung geht von künftig steigenden Zinsen aus. Natürlich kann es auch sein, dass sich die Zinsen im Laufe der Rückzahlung eines Baudarlehens mit variabler Verzinsung zugunsten des Darlehensnehmers entwickeln – das ist aber eben nie gesagt. Momentan befinden sich die Zinsen für Baufinanzierungen auf einem historisch niedrigen Niveau. Viel Spielraum nach unten gibt es nicht mehr. Vielversprechender ist eine variable Verzinsung in Zeiten hoher Zinsen.

Für wen eignet sich ein variables Darlehen?

Eine Baufinanzierung mit variablen Zinsen eignet sich vor allem für Verbraucher mit unregelmäßigen Einkommen wie etwa Selbstständige. Zusätzliche Gehaltsflüsse können direkt in die Tilgung investiert werden. Auch für risikofreudige Kreditnehmer, die davon überzeugt sind, dass die Zinsen über die ersten Jahre der Finanzierung eher fallen als steigen könnten, bietet sich diese Form der Baufinanzierung an. Ebenfalls eignen sich variable Darlehen gut als Zwischenfinanzierung um damit einem Zeitraum bis zu einem sicheren Zahlungseingang, etwa aus dem Verkauf einer alten Immobilie oder aus einer Erbschaft, zu überbrücken.

Kurzgefasst: Wem Flexibilität wichtiger ist als Klarheit bei den anfallenden Kosten, für den ist ein variables Darlehen eventuell besser geeignet als für jemanden, der Sicherheit schätzt.
 

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