Wer einen Verbraucherkredit oder eine Baufinanzierung aufnimmt, begegnet sehr wahrscheinlich dem Begriff „Vorfälligkeitsentschädigung“ im Zusammenhang mit vorzeitiger Tilgung. Auch bei einer Festgeldanlage kann die Vorfälligkeitsentschädigung unter Umständen relevant sein. Wir erklären die Bedeutung und was Kreditnehmer dazu wissen müssen.
Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Verbraucherkredit ist in § 502 des Bundesgesetzbuchs (BGB) gesetzlich geregelt. Sie darf ein Prozent der rückgezahlten Summe nicht überschreiten. Liegt die restliche Laufzeit des Kredits bei einem Jahr oder darunter, sind sogar nur 0,5 Prozent der rückgezahlten Summe als Gebühr erlaubt.
Bei einer Baufinanzierung gibt es keine gesetzliche Regelung und die Vorfälligkeitsentschädigung fällt deutlich höher aus. Oft liegt sie bei fünf bis zehn Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrags. Da im Regelfall die Summen bei einer Baufinanzierung generell deutlich höher sind als bei einem Verbraucherkredit, können hier erhebliche Kosten auf den Kreditnehmer zukommen.
abgelöste Summe | restliche Laufzeit > 1 Jahr | restliche Laufzeit < 1 Jahr |
30.000 Euro | 300 Euro | 150 Euro |
10.000 Euro | 100 Euro | 50 Euro |
5.000 Euro | 50 Euro | 25 Euro |
Bei einer Baufinanzierung gibt es zwei vom Bundesgerichtshof zugelassene Berechnungsmethoden. Bei beiden zieht die Bank die abgelöste Darlehenssumme, die restliche Laufzeit des Darlehens, den Sollzins der Finanzierung und die aktuellen Marktzinsen heran. Welche Methode das Kreditinstitut für eine mögliche Berechnung nutzen würde, muss im Darlehensvertrag festgehalten sein.
Diese Methode geht davon aus, dass die Bank die Summe, die sie früher als erwartet vom Kreditnehmer zurückerhält, für eine andere Baufinanzierung verwendet. Die Bank berechnet zunächst, wie viel Gewinn ihr durch die vorzeitige Kündigung entgeht – den Zinsmargenschaden. Sind die Bauzinsen zudem mittlerweile niedriger als bei Abschluss der Finanzierung, kann sie auch diesen Zinsverschlechterungsschaden in die Rechnung mit einbeziehen.
Bei dieser Methode rechnet die Bank, als würde sie die zurückgezahlte Summe für die Dauer der verbleibenden Laufzeit in Pfandbriefe anlegen. Die Vorfälligkeitsentschädigung ergibt sich dann aus der Differenz der Rendite, die sie aus dem Darlehen erhalten hätte und der, die sie aus den Hypothekenpfandbriefen bekommen würde. Diese Methode wird häufiger genutzt als die Aktiv-Aktiv Methode, weil sie meist vorteilhafter für die Bank ist.
Wenn im Baufinanzierungsvertrag optionale Sondertilgungen vereinbart wurden, muss die Bank alle theoretisch geleisteten Zahlungen bis zum Vertragsende oder bis zur Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung von der Summe der Vorfälligkeitsentschädigung abziehen. Auch um weitere Verwaltungskosten, die auf die Bank innerhalb der Laufzeit des Darlehens zugekommen wären, muss sie den Betrag reduzieren. Schließlich erhebt die Bank bei Abschluss der Baufinanzierung Risikokosten. Auch die fallen bei vorzeitiger Rückzahlung weg und müssen entsprechend von der Entschädigungsgebühr abgezogen werden. Im Gegenzug darf sie Bearbeitungsgebühren in nicht gesetzlich geregelter Höhe aufschlagen.
Lösen Kreditnehmer ein Darlehen mit einer sehr niedrigen Verzinsung ab und die Bauzinsen oder die für Hypothekenpfandbriefe sind zu diesem Zeitpunkt besonders hoch, entsteht theoretisch ein Vorteil für die Bank. Sie kann das zurückgezahlte Geld gewinnbringender einsetzen. Diesen Vorteil muss sie allerdings nicht an den Kunden weitergeben.
Ob Banken eine Gebühr für vorzeitig zurückgezahlte Kreditbeträge verlangen, ist individuell. Vor allem bei Verbraucherkrediten werden oftmals kostenlose Sondertilgungen oder Gesamttilgungen vereinbart, für die dann keine Vorfälligkeitsentschädigung fällig wird.
In folgenden Fällen können sie einen entsprechenden Schadenersatz fordern:
Bei einem Ratenkredit – ob zur freien Verwendung, ein Autokredit oder Modernisierungskredit – ist jederzeit eine Sondertilgung und sogar die Gesamttilgung möglich. Ist im Kreditvertrag aber nicht vereinbart, dass diese Rückzahlungen kostenlos sind, fällt die Vorfälligkeitsentschädigung ab Verstreichen der Widerrufsfrist an.
Eine Baufinanzierung lässt sich nicht einfach während der Sollzinsbindung kündigen. Muss aber das Haus oder die Wohnung noch während der laufenden Finanzierung verkauft werden, liegt ein berechtigtes Interesse vor und die Bank muss dies akzeptieren (§ 490 BGB). In diesem Fall muss der Darlehensnehmer bei Rückzahlung des Kredits eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.
Normalerweise müssen Sondertilgungen ausdrücklich im Vertrag festgeschrieben sein. Möchte der Kreditnehmer trotzdem eine außerplanmäßige Zahlung leisten, zeigen sich einige Banken nach einem Gespräch zwar kulant, erheben aber auf den gezahlten Betrag eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Innerhalb der Widerrufsfrist von 14 Tagen haben Kreditnehmer immer die Möglichkeit, vom Kreditvertrag zurückzutreten. Sie müssen bereits ausgezahltes Geld inklusive Zinsen zurückzahlen.
Ist diese Frist jedoch verstrichen und das Darlehen wird trotzdem nicht abgenommen, kann die Bank auch hier eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Das kann dann der Fall sein, wenn ein Darlehen abgeschlossen, aber in der Zwischenzeit ein deutlich günstigeres Angebot gefunden wurde, das der Kreditnehmer lieber wahrnehmen möchte. Auch bei einem nicht abgenommenen Forward-Darlehen oder einer nicht mehr benötigten Teilzahlung eines Baukredits wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.
Unabhängig von vereinbarten kostenlosen Sonder- oder Gesamttilgungen gibt es einige Fälle, in denen Banken keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen dürfen. Diese Fälle regeln § 489 und § 502 des BGB:
Läuft bei einer Baufinanzierung die vereinbarte Zinsbindung aus, kann der Kreditnehmer die verbleibende Summe ganz oder in Teilen tilgen, ohne dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen.
Die Vorfälligkeitsentschädigung darf nur bei Krediten mit festem Zinssatz erhoben werden. Ein Darlehen mit variablem Zinssatz können Sie jederzeit mit einer dreimonatigen Frist ordentlich kündigen.
Bei jedem Darlehen mit Sollzinsbindung gilt zehn Jahre nach vollständiger Auszahlung der Darlehenssumme ein ordentliches Kündigungsrecht mit einer Frist von sechs Monaten. Kreditnehmer können ihre Baufinanzierung ohne zusätzliche Gebühren ganz oder teilweise zurückzahlen und so beispielsweise ihre Anschlussfinanzierung bei einer anderen Bank abschließen.
Die Bank hat die Pflicht, den Kreditnehmer genau über die 14-tägige Widerrufsfrist, die Dauer der Laufzeit, das Kündigungsrecht und die Art der Berechnung einer möglichen Vorfälligkeitsentschädigung zu informieren. Sind die Angaben nicht ausreichend, kann sich ein Kreditnehmer darauf berufen und eventuell die zusätzlichen Kosten umgehen.
Nimmt ein Kreditnehmer zum Beispiel eine Lebensversicherung auf, um der Bank eine zusätzliche Absicherung zu bieten, kann er diese bei Fälligkeit ohne weitere Gebühren zur Tilgung des Darlehens nutzen. Die Versicherung muss verpflichtender Bestandteil des Darlehensvertrags sein.
Studenten oder Auszubildende, die einen Bildungs- oder Studienkredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aufnehmen, zahlen grundsätzlich keine Gebühren für Sonder- oder Gesamttilgungen.
Ob und wann sich eine vorzeitige Rückzahlung der verbleibenden Restschuld lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Ist der Zinssatz für den Kredit hoch, können auch trotz einer Vorfälligkeitsentschädigung Zinskosten eingespart werden. Bei einer verbleibenden Restschuld zum Beispiel von 5.000 Euro, einer Laufzeit von weiteren 18 Monaten und einem effektiven Jahreszins von 7,50 Prozent würde sich die Ablöse grundsätzlich lohnen: Der Zinsauswand für die restliche Zeit läge bei 292 Euro, während die Vorfälligkeitsentschädigung bei nur 50 Euro liegt.
In einigen Situationen ist auch der Gedanke, schneller schuldenfrei zu sein, ein Argument für eine vorzeitige Ablöse.
Bei Baufinanzierungen mit noch langen Laufzeiten, die mit einem günstigen Zinssatz abgeschlossen wurden, kann es eventuell sinnvoller sein, das Geld anzulegen, anstatt damit zu tilgen. Hier kann eine Vorfälligkeitsentschädigung schnell im fünfstelligen Bereich liegen.
Eine weitere Situation, in der eine Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank veranschlagt werden kann, ist bei der Kündigung einer Festgeldanlage. Bei Festgeld ist für die Dauer des Anlagezeitraums keine Kündigung vorgesehen und nur in Ausnahmesituationen auf Kulanz der Bank möglich. Stimmt sie dem zu, kann sie dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Höhe legt jede Bank selbst fest. Alternativ zahlt sie die bis dahin fälligen Zinsen nicht oder nicht in voller Höhe aus.
Bevor Kreditnehmer Sondertilgungen oder Gesamttilgungen leisten, für die sie eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen, sollten sie durchrechnen, ob die Ersparnis durch die Tilgung im Verhältnis zur fälligen Gebühr steht. Bei einer Baufinanzierung ist die vorzeitige Ablöse oft keine freiwillige Entscheidung, sondern entsteht, weil die Immobilie zum Beispiel aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten verkauft werden musss. Da es sich bei einer Baufinanzierung immer um hohe Summen handelt und die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung komplizierter ist als bei einem Verbraucherkredit, kann sich hier das Hinzuziehen eines Experten lohnen, der die Rechnung prüft.
Hinweis: Trotz gewissenhafter Recherche kann die Richtigkeit und Aktualität der Angaben nicht garantiert werden.
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