Berücksichtigt ein Versicherungsvertreter beim Antrag mündliche Angaben des Kunden nicht, kann die Versicherung den Vertrag später nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs hervor, das bereits Anfang Juli gefällt wurde.
Ein Versicherungsvertreter ist für den BGH "Auge und Ohr" des Versicherers. In dem verhandelten Fall (Aktenzeichen IV ZR 508/14) hatte der Produktionsmitarbeiter eines Autoherstellers, der früher auch als Testfahrer gearbeitet hatte, im Mai 2010 zwei
Berufsunfähigkeitsversicherungen abgeschlossen. Im Gespräch mit dem Versicherungsvertreter – einem Bekannten des Mannes – gab er an, wegen Rückenbeschwerden verschiedene Ärzte aufgesucht zu haben. Diese hätten seine Beschwerden allerdings nicht ernst genommen.
Der Vertreter füllte den Versicherungsantrag für seinen Bekannten aus. Alle Fragen nach gesundheitlichen Beschwerden verneinte er schriftlich. Er bestätigte zudem, dass der Antragsteller in den letzten fünf Jahren keinen Arzt aufgesucht hätte.
Zahlreiche Beschwerden vor dem Antrag
Tatsächlich hatte der Mann bereits im Jahr 1999 eine Bandscheibenprotrusion erlitten. In den abgefragten fünf Jahren vor Antragstellung hatte er insgesamt zehnmal seine Hausärztin wegen Rückenbeschwerden aufgesucht. In den letzten sieben Monaten vor dem Antrag wurde er fünfmal von Ärzten behandelt – dreimal wegen Rückenbeschwerden.
Im Juli 2011 beantragte der Mann Leistungen aus seinen Berufsunfähigkeitsversicherungen, da er an Morbus Bechterew litt – einer Erkrankung der Wirbelsäule. Nachdem die Versicherung die Krankengeschichte des Mannes recherchiert hatte, focht sie die Verträge wegen arglistiger Täuschung an und zahlte die versicherten Leistungen in Höhe von 1.300 Euro monatlich nicht aus.
Dagegen klagte der Mann. Er verwies darauf, dass er im Gespräch mit dem Versicherungsvertreter seine Rückenbeschwerden angegeben habe.
BGH: Versicherungsvertreter ist „Auge und Ohr“ der Versicherung
In den Vorinstanzen blieb seine Klage erfolglos. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Berufungsurteil jetzt allerdings auf.
Die Karlsruher Richter verwiesen auf die Rolle eines Versicherungsvertreters als Auge und Ohr des Versicherers. Ein Antragsteller könne davon ausgehen, dass alles, was er dem Vertreter gegenüber sage und vorlege, auch der Versicherung bekannt sei.
Da der Mann seine Rückenbeschwerden im Gespräch erwähnt hatte, habe er damit seine vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllt. Der Vertreter hatte vor dem Landgericht bestätigt, dass sein Bekannter die Beschwerden angeführt hatte. Allerdings habe er verneint, dass bei den Untersuchungen etwas herausgekommen sei. Daher habe er die Beschwerden nicht angegeben, in seinen Augen sei der Mann gesund gewesen.
Der Vertreter sagte zudem aus, er könne nichts mehr versichern, wenn er solche Beschwerden in jedem Fall schriftlich festhalten würde. Diese Aussage legt nach Ansicht des BGH nahe, dass der Versicherungsvertreter nicht vom Kläger getäuscht wurde, sondern aus eigenem wirtschaftlichen Interesse gehandelt habe.
Die Karlsruher Richter sahen daher keinen Grund, dass die Versicherungen wegen arglistiger Täuschung angefochten werden könnten. Sie verwiesen den Fall zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurück.
Der Fall muss neu verhandelt werden
Ob der Mann die Versicherungsleistungen tatsächlich erhält, ist damit allerdings noch nicht sicher. Er war nämlich darüber hinaus bis kurz vor seinem Besuch beim Versicherungsvertreter drei Wochen krankgeschrieben – nach eigener Aussage wegen psychischer Belastung nach dem tödlichen Unfall seines Sohnes. Dies hatte er im Gespräch nicht angegeben.
In wieweit er damit seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat, haben die Karlsruher Richter nicht entschieden.