Herr Felde, die Zinsen auf Tagesgeld und Festgeld steigen aktuell so rasant wie seit Jahren nicht mehr – woran liegt das?
Dr. Moritz Felde: Hauptgrund für steigende Sparzinsen sind die veränderten geldpolitischen Rahmenbedingungen. Die Europäische Zentralbank hat die Zinssätze im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit elf Jahren erhöht. Mit bisher fünf so genannten Zinsschritten hat sie den Leitzins zuletzt Anfang Februar auf nun drei Prozent angehoben. Hintergrund dieser Maßnahmen ist die drastisch gestiegene Inflation im Euroraum, für die die EZB einen Zielwert von 2 Prozent anstrebt. Für Banken hat der höhere Leitzins einen ähnlichen Effekt wie für Sparer – sie erhalten wieder Zinsen auf ihre Einlagen bei der EZB. Viele Institute geben diesen Effekt mehr oder weniger direkt an die Kunden weiter. Das führte zu den rasanten Zinssteigerungen auf Tages- und Festgelder. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen für Sparguthaben weiter steigen.
Das heißt Bankkunden können sich jetzt auf „automatisch“ steigende Zinsen auf dem Konto freuen?
Dr. Moritz Felde: Nein, so einfach ist die Geldanlage leider nicht. Banken reagieren sehr unterschiedlich auf die veränderten geldpolitischen Rahmenbedingungen. Hintergrund ist, dass nicht jede Bank die gleiche Größe und strategische Ausrichtung hat. Einige Institute haben beispielsweise noch gar nicht auf die Zinswende reagiert. Deshalb sollten Anleger unbedingt selbst auf die Suche nach den besten Sparzinsen gehen und nicht auf eine Reaktion ihrer Bank warten. Am einfachsten geht das mit einem Tages- oder Festgeldvergleich.
Wenn ich mich für Tages- oder Festgeld entscheide, wie sollte ich konkret vorgehen bei der Verteilung meines Geldes und den Laufzeiten?
Dr. Moritz Felde: Die Anlagestrategie ist immer individuell und hängt vor allem davon ab, wann und wie viel Vermögen in Zukunft verfügbar sein soll. Beim Festgeld sind die kürzeren Laufzeiten sehr attraktiv, da die Zinsunterschiede zwischen einem Jahr und fünf Jahren nicht gravierend sind. Deshalb ist es sinnvoll, momentan auf kürzere Laufzeiten zu setzen, sodass Sparer mögliche weitere Zinsschritte in naher Zukunft nicht verpassen. Unabhängig von der Laufzeit sollte möglichst kein Guthaben unverzinst auf dem Girokonto liegen. Während der Wartezeit auf möglichweise steigende Sparzinsen können nämlich bereits Zinsen kassiert werden. Für einen weiteren Teil des Vermögens, der tagesaktuell verfügbar sein soll, ist das Tagesgeld mit Zinssätzen von zwei Prozent wieder attraktiv und sollte in jedem Fall genutzt werden. Das ist in jedem Fall sinnvoller als das Geld unverzinst auf dem Girokonto liegen zu lassen.
Insbesondere die vergangenen Corona-Jahre waren sehr erfolgreich für Anleger am Aktienmarkt, lohnt sich im Vergleich dazu die Festgeld-Anlage überhaupt?
Dr. Moritz Felde: Es stimmt, dass die Jahre 2020 und 2021 für viele Börsianer sehr erfolgreich verliefen. Im vergangenen Jahr mussten besonders die jungen Anleger aber auch empfindliche Verluste hinnehmen. Ein Minus von über 80 Prozent war bei vielen Wachstumswerten keine Seltenheit. Diese Phasen gibt es am Aktienmarkt immer wieder und Anleger müssen sich langfristig auf das Risiko einstellen. Wer deutlich weniger Risiko gehen kann oder möchte, bekommt nun im Festgeld- und Tagesgeldbereich wieder bessere Zinskonditionen. Größter Trumpf dabei sind die Planbarkeit und die Sicherheit der Zinszahlung. Spare ich beispielsweise für einen Immobilienkauf oder einen Autokauf in den kommenden Jahren, möchte ich nicht eine Phase niedriger Kurse an der Börse aussitzen müssen. Auch das Lebensalter spielt eine wichtige Rolle bei der Geldanlage. Insbesondere Senioren im Rentenalter, möchten keinen jahrzehntelangen Anlagehorizont wählen, um die nächsten Tiefstände an den Börsen auszusitzen.
Stichwort Sicherheit, wie sicher sind denn Tages- oder Festgelder tatsächlich?
Dr. Moritz Felde: Sparvermögen in Tages- oder Festgeld ist in ganz Europa mit 100 Prozent Einlagensicherung angelegt. Alle Einlagen sind gesetzlich bis zu 100.000 Euro pro Bank und Kunde über das Einlagensicherungssystem des jeweiligen Landes innerhalb der Europäischen Union geschützt. Anleger sollten trotzdem die Bonitätsbewertung des Bankenlandes nicht außer Acht lassen. Gerät nämlich das gesamte Sicherungssystem des jeweiligen Landes ins Schwanken, haftet der EU-Mitgliedsstaat mit seinem Landeshaushalt. Auch deshalb finden sich im CHECK24 Geldanlage-Vergleich ausschließlich Angebote aus Ländern mit einer Landesbonität von BBB bis AAA basierend auf dem Rating der Agentur Standard & Poor's.
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Die Entscheidungen der obersten Währungshüter haben auch für Bewegung bei den Zinsen für Baufinanzierungen und Ratenkredite gesorgt. Im Gegensatz zu den Sparzinsen nicht unbedingt zum Vorteil für Verbraucher, denn Kredit- und Bauzinsen sind bereits deutlich gestiegen. Experten gehen zudem von weiteren moderaten Anstiegen aus. Wer aktuell eine Finanzierung laufen hat, sollte diese deshalb genau im Blick behalten.
Galt bisher der Grundsatz, dass mit einer Sondertilgung nicht benötigtes Vermögen gut angelegt sei, ist heute oftmals derjenige besser dran, der anlegt statt zu tilgen. Wer beispielsweise sein Eigenheim zu einem sehr günstigen Zinssatz von einem Prozent finanziert hat, erzielt nun durch ein Festgeld mit höheren Zinsen eine attraktivere Rendite. Eine Gegenüberstellung der individuellen Finanzierungskonditionen und den jetzigen Sparzinsen lohnt sich in diesem Fall wieder. Folgendes Beispiel veranschaulicht, wie Sie sich diesen Effekt möglicherweise zu Nutzen machen können:
Wer Anfang 2020 eine Baufinanzierung in Höhe von 400.000 Euro zu einem Sollzinssatz zum damalig üblichen Zinssatz von 1 Prozent und einer 10-jährigen-Sollzinsbindung aufgenommen hat und zwischenzeitlich beispielsweise 50.000 EUR angespart hat könnte nun eine Sondertilgung in Höhe von 50.000 Euro vornehmen. Die Ersparnis am Ende der Zinsbindung liegt damit bei etwa 3.688 Euro.
Liegt das Geld allerdings für die fünf folgenden Jahre auf einem Festgeldkonto mit der momentanen Verzinsung in Höhe von 3,63 Prozent eff. p.a. ist eine Rendite von 9.747 Euro möglich. Wird der jährliche Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 1000 Euro genutzt, sind 5.000 Euro steuerfrei und auf die übrigen 4.747 Euro fallen noch 25 Prozent Kapitalertragssteuer an. So ergibt sich eine Gesamtrendite nach Steuern in Höhe von 8.560 Euro und damit 4.872 Euro mehr Sparpotenzial als durch die Sondertilgung bei der Baufinanzierung.