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Dirk Müller im Interview
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Das bedeuten die globalen Handelskonflikte für Verbraucher

München, 28.08.2018 | 10:22 | skl

US-Präsident Trump macht Ernst und überzieht die Welt mit Strafzöllen und Sanktionen. Ob sich Verbraucher und Sparer hierzulande jetzt Sorgen machen müssen, erklärt „Mr. Dax“ Dirk Müller im Interview.

Dirk Müller sieht im schwelenden Handelskonflikt auch Gefahren für deutsche Verbraucher.
Dirk Müller sieht im schwelenden Handelskonflikt auch Gefahren für deutsche Verbraucher.
Dirk Müller, auch bekannt als „Mr. Dax“, war amtlich vereidigter Börsenhändler an der Frankfurter Wertpapierbörse. Heute ist er Fondsmanager, Autor von Finanzbüchern und gefragter Vortragsredner. Für CHECK24 gab er eine Einschätzung dazu ab, welche Konsequenzen sich aus dem Handelskonflikt für deutsche Verbraucher und insbesondere Sparer ergeben können.

CHECK24: Herr Müller, was würde ein Handelskrieg zwischen China und den USA für den Exportweltmeister Deutschland bedeuten? Ergeben sich daraus Folgen für die Verbraucher hierzulande?

In erster Linie ist ein Handelskrieg ein Problem für die Wirtschaft und für Unternehmen: Deren Kosten steigen, ohne dass diesen Kosten weiterer Absatz gegenübersteht. Ein Handelskrieg erzeugt vor allem Unsicherheit. Keiner weiß, was als nächstes kommt, welche Auswirkungen das auf Lieferanten und Abnehmer hat und wie sich die Handelsströme verschieben. Diese Unsicherheit führt dazu, dass Investoren ihre Investitionen zurückhalten, wodurch sich die Weltwirtschaft insgesamt abkühlt. Das ist die größte Gefahr.

Und wie wirkt sich ein solcher Konflikt auf den Verbraucher aus?

Unternehmen können nicht alle steigenden Kosten abfedern, weshalb sie die Preise für Produkte anheben. Welches Produkt wie teuer wird, hängt davon ab, inwiefern ein Unternehmen die Macht besitzt, den Preis dafür zu setzen. Hat es eine monopolistische Stellung in dem Sinne, dass Kunden das Produkt dieses Unternehmens ohnehin kaufen müssen, kann es die Zölle über höhere Preise an die Verbraucher weitergeben. Unternehmen, die unter starkem Konkurrenzdruck stehen, nehmen dagegen eher Gewinneinbußen durch die Zölle in Kauf und lassen die Preise konstant. Grundsätzlich ist ein Handelskrieg somit ein Preistreiber für verschiedenste Bereiche.

Heißt das, dass dadurch die Inflation steigen kann?

Ja, das kann kommen. Die Inflation hängt wesentlich von den Energiepreisen ab. Der Inflationsanstieg in den USA auf mittlerweile fast drei Prozent ist eine Folge davon, dass der Ölpreis zwischen Sommer 2017 und heute von etwa 40 Dollar auf 70 Dollar gestiegen ist. Das ist natürlich ein enormer Anstieg. Wenn man bedenkt, dass Energie für alles vom Transport bis zur Herstellung benötigt wird, dann wird klar, dass die Energiekosten der größte Inflationstreiber sind. Sollte sich der Ölpreis wieder beruhigen, drückt das auch die Inflation. Sollte es hingegen zu einer weiteren Eskalation mit dem Iran kommen, in dieser Region, die ja wesentlich für die Ölversorgung der Welt zuständig ist, dann würde das auch die Inflation nach oben treiben, auch in Deutschland.

Wäre die Europäische Zentralbank bei einer schneller steigenden Inflation nicht dazu gezwungen, die Leitzinsen früher als geplant wieder anzuheben?

Man weiß bei der EZB nie, was sie macht, aber eigentlich nicht. Zinsanhebungen zur Bekämpfung der Inflation haben nur dann Sinn, wenn die Inflation von einer sehr starken Konjunktur getrieben wird. Dann können steigende Zinsen die Wirtschaft abkühlen. In dem Szenario, über das wir aktuell sprechen, würde die Inflation allerdings nicht durch eine starke Konjunktur befeuert, sondern durch Strafzölle und Sanktionen – also praktisch schon durch eine Abkühlung der Konjunktur. Eine solche Entwicklung lässt sich nicht durch steigende Zinsen bekämpfen, deshalb erwarte ich für Europa auf absehbare Zeit keine Zinsanhebungen. Die südlichen Länder, besonders Italien, kommen immer mehr in Schwierigkeiten und den Banken dort steht das Wasser bis zum Hals. Steigende Zinsen wären höchst gefährlich für die italienischen Banken und die Verbraucher dort.

Höhere Inflation, aber keine steigenden Zinsen. Was bedeutet das für die Sparer hierzulande?

Für Sparer bedeutet das eine noch größere Katastrophe. Die Inflation geht hoch, sie haben also weniger Kaufkraft, aber die Zinsen werden trotzdem nicht angehoben. Das Geld der Sparer wird schneller entwertet.

Also schauen Sparer auch wegen des Handelskriegs weiter in die Röhre?

Das kann man so sehen. Aber andererseits ist es für den Sparer ohnehin selten anders gewesen. Auch in den vergangenen Jahrzehnten war es so, dass sein realer Zinsertrag die Hälfte der Zeit seit den 1960er Jahren negativ war. Das heißt, dass die Zinsen, die er bekommen hat, niedriger waren als die Inflationsrate. Man hat es nur oft nicht gemerkt. Man hat sich über drei Prozent Zinsen gefreut und übersehen, dass die Inflation bei vier Prozent lag, also man weniger Kaufkraft hatte. Von daher ist die Situation heute gar nicht so viel anders für Sparer, als es in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Sie merken es jetzt nur zum ersten Mal.

Zu der America-First-Politik von US-Präsident Trump gehört auch eine hohe Neuverschuldung. Dadurch könnten die Renditen der US-Staatsanaleihen steigen. Kann sich das auch auf die Zinsen für Baufinanzierungen hierzulande auswirken?

Ja und nein, das ist ein größerer Zusammenhang. Zum einen verschulden sich die USA vor allem durch Steuersenkungen immer stärker. Der Staat nimmt deutlich weniger ein, hat aber mindestens die gleichen Ausgaben. Also müssen die USA mehr Kredite aufnehmen – und das tun sie auch. Im Moment haben wir allerdings eine Situation, in der internationale und amerikanische Investoren massiv auf steigende Zinsen wetten, in einer Größenordnung wie noch nie zuvor in der Geschichte. Gehen ihre Wetten nicht auf, kommen sie in Schwierigkeiten und müssen US-Anleihen kaufen. Dadurch sinken dann die Zinsen auf diese Staatspapiere. Das beobachten wir schon seit einigen Wochen. Trotz aller Erwartungen zu Zinssteigerungen werden inzwischen massiv Anleihen gekauft und die Zinsen für amerikanische Anleihen sinken. Klingt ein wenig schizophren, ist aber im Moment die Situation und könnte zumindest für einige Wochen und Monate zu deutlich sinkenden US-Zinsen auf den Anleihemärkten führen.

Heißt das, die Zinsen für Bundesanleihen und damit für Baufinanzierungen bleiben ebenfalls niedrig?

Das ist für die nächste Zeit zu erwarten, ja. Die EZB wird sich gar nichts anderes leisten können, als die Zinsen hier so tief zu lassen. Ob Banken Risiko-Aufschläge auf Baudarlehen verlangen, kann man schwer sagen. Aber Häuslebauer sollten sich klarmachen, dass die Zinsen für Baufinanzierungen so niedrig sind wie noch nie. Ob es jetzt ein paar Zehntel hoch oder runter geht, spielt bei Zinsen von „Eins-Komma“ kaum eine Rolle. Wir kommen aus Zeiten, da haben Baufinanzierer acht, neun, zehn oder zwölf Prozent für Baukredite verlangt. Damals hat sich keiner Gedanken darüber gemacht, ob es jetzt zwei Zehntel mehr oder weniger sind.

Sie haben vorhin gesagt, eine Abkühlung der Weltwirtschaft wäre eine gefährliche Geschichte. Was meinen Sie genau?

Das habe ich gerade in meinem neuen Buch „Machtbeben“ beschrieben: Wir stehen vor der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten. Die abkühlende Wirtschaft ist genau das, was uns dorthin bringen kann. Als ich mit dem Buch begann, habe ich gesagt: Amerika wird China den Stecker ziehen. Da war von Strafzöllen noch keine Rede. China ist die größte Blase in der Weltwirtschaftsgeschichte. In China liegt die Unternehmensverschuldung bei 160 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Amerika wird China durch steigende Zinsen den Stecker ziehen und diese Blase zum Einsturz bringen – mit katastrophalen Folgen für die Weltfinanzmärkte oder die Weltwirtschaft. Und genau das ist momentan im Gange. Nur ob die Blase in den nächsten Monaten platzt oder ob wir noch ein paar Jahre Zeit bekommen, kann niemand vorhersagen.

Sie haben die Schwellenländer angesprochen. Vor kurzem hat US-Präsident Trump die Zölle für Stahl und Aluminium aus der Türkei verdoppelt, woraufhin die türkische Lira extrem gefallen ist. Hat das Einfluss auf die Ersparnisse der Deutschen?

Erstmal nicht direkt, aber europäische Banken sind natürlich stark in der Türkei involviert. Gerade spanische Banken haben viele Kredite vergeben. Die türkischen Unternehmen und der türkische Staat haben viele Kredite in US-Dollar und in Euro aufgenommen. Je tiefer die Lira fällt, desto schwieriger wird es für sie, diese Kredite zurückzuzahlen. Man fragt sich schon, ob sie überhaupt zurückgezahlt werden können oder ob man in absehbarer Zeit einen Zahlungsausfall befürchten muss. Das würde den europäischen Banken Probleme bereiten. Womöglich werden Bankenrettungen nötig – mit  allen Kettenreaktionen, die so ein Szenario mit sich bringt. Ganz akut ist die Türkei-Krise kein Thema für den deutschen Sparer, aber sie ist ein Damoklesschwert, das kräftig schaukelt.

Zahlungsausfälle, Bankenrettung – Die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles hat kürzlich den Gedanken geäußert, die Türkei mit finanziellen Hilfen zu unterstützen. Droht den Deutschen ein zweites Griechenland?

Man ist ja inzwischen einiges gewohnt, aber zu so einem Vorschlag einer Frau, die mit Regierungsverantwortung betraut ist, fällt einem nur wenig ein. Sie hat ja selbst widerrufen, dass sie von finanziellen Hilfen gesprochen hat. Ich weiß allerdings nicht, was sie unter Wirtschaftshilfe versteht, wenn es da nicht um Geld geht. Dass Deutschland für ein Nicht-EU-Mitglied Rettungsmaßnahmen bereitstellen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Amerikaner führen aus politischen Gründen einen Handelskrieg mit der Türkei – und den Schaden sollen wir jetzt beheben? Sorry, da fehlen mir die Worte.

Herr Müller, vielen Dank für das Interview.

Sehr gerne.
 
Dirk Müller (49) ist Inhaber und Geschäftsführer der Gesellschaft Finanzethos GmbH, welche das Online-Magazin cashkurs.com betreibt, und der Finanzethos Fonds GmbH, die unter anderem den Dirk Müller Premium Fonds verwaltet. Am 27.08. erschien sein aktuelles Buch „Machtbeben“.
 

Übrigens:

Sparer, die sich wegen der Türkei-Krise Sorgen um ihre Ersparnisse bei den Ablegern türkischer Banken hierzulande machen, haben nichts zu befürchten. Einige gehören zum Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Damit sind die Einlagen deutscher Kunden bei diesen Geldhäusern auch bei Beträgen oberhalb von 100.000 Euro abgesichert. Darüber hinaus garantiert die europaweite vereinheitliche Einlagensicherung bei in der EU ansässigen Banken Spareinlagen bis 100.000 Euro – was auch für die Töchter türkischer Banken gilt. Da türkische Banken Kredite hierzulande in Euro vergeben, beeinflusst die Türkei-Krise auch nicht deren Kreditvergabe.
 

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