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Vom Zins zum Strafzins: Einige Bankkunden müssen bereits zahlen, um ihr Geld bei der Bank anzulegen.
Dass es kaum noch Zinsen aufs Ersparte gibt, ist bei den Deutschen längst angekommen. Doch Minizinsen sind das Eine, Minuszinsen das andere: Müssen Sparer um ihr Geld fürchten? Wir klären auf und beantworten die acht wichtigsten Fragen zum Thema Strafzinsen.
Wer sein Geld früher zur Bank brachte, für den war klar, dass er darauf Zinsen erhält. Heute ist das nicht mehr so selbstverständlich. Bei vielen Geldhäusern in Deutschland erhalten Sparer mickrige Zinsen von knapp über null Prozent, einige Banken haben die Verzinsung – ebenso wie manches Sparkonto – einfach abgeschafft. Und in ganz extremen Fällen werden Sparer sogar zur Kasse gebeten – sie müssen Strafzinsen zahlen. Von Straf-, Minus- oder Negativzins spricht man also, wenn ein Bankkunde auf sein Erspartes Zinsen zahlen muss, statt, wie eigentlich üblich, welche zu erhalten. Doch nicht nur die Kunden, sondern auch die Banken selbst müssen solche Zinsen zahlen, wenn sie überschüssiges Geld parken.
Kurzgefasst: Wenn ein Sparer keine Zinsen auf sein Geld erhält, sondern für die Verwahrung bezahlen muss, spricht man von Strafzinsen.
Dass Negativzinsen ausgerechnet in den letzten Monaten zum Thema wurden, kommt nicht von Ungefähr. Schuld daran ist, das betonen die Geldhäuser immer wieder, die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hat ihre Leitzinsen in den letzten Jahren immer weiter gesenkt. Aktuell können sich die Finanzinstitute bei der Notenbank zum Nulltarif mit Geld versorgen. Haben sie jedoch überschüssiges Kapital, das sie bei ihr anlegen müssen, werden darauf Zinsen fällig. Das geht nun schon seit Juni 2014 so – damals hat die EZB ihren Einlagesatz erstmals auf unter null gesenkt, im März 2016 dann schließlich auf die immer noch gültigen -0,40 Prozent.
Damit verfolgt die Notenbank ein klares Ziel: Sie will Banken dazu bewegen, ihren Kunden günstige Kredite anzubieten – Geld, mit dem Verbraucher auf Einkaufstour gehen sollen. Denn je mehr sie kaufen und verbrauchen, desto besser ist das für die Unternehmen in der Eurozone und damit schlussendlich auch für die Wirtschaft. Und freilich: Für die Banken ist es deutlich attraktiver, überschüssiges Geld als gering verzinste Darlehen an ihre Kunden weiterzureichen, als es zum Negativzins bei der EZB anzulegen.
Auch bei den Sparern erzielt die Zinspolitik Wirkung: Sie sind wegen der mickrigen Zinsen und Angst vor Strafzinsen eher bereit, ihr Geld auszugeben. Das zeigt eine Studie der Direktbank ING-DiBa. Sie hatte im März herausgefunden: Über 40 Prozent der Deutschen sparen wegen der Niedrigzinsen mittlerweile weniger. Sie nutzen das Geld anderweitig – zum Beispiel, um sich besondere Anschaffungen zu leisten. Das kommt der EZB gelegen, dürfte zugleich aber auch die Banken und Sparkassen freuen. Denn je weniger Geld ihre Kunden bei ihnen deponieren, desto weniger müssen sie selbst an Negativzinsen zahlen.
Kurzgefasst: Banken zahlen selbst Strafzinsen, wenn sie überschüssiges Kapital etwa bei der EZB parken. Damit will die Notenbank sie motivieren, mehr Kredite an ihre Kunden auszugeben, was den Konsum und damit indirekt die Wirtschaft ankurbeln soll.
Übrigens: Auch untereinander verlangen die Banken dafür Zinsen. Ebenso reichen Spitzeninstitute wie die DZ Bank die Strafzinsen, die sie an die EZB zahlen müssen, an ihre Mitglieder weiter – in dem Fall etwa an die Volks- und Raiffeisenbanken.
Banken rechtfertigen sich mit dem Argument, dass die aktuelle Zinslandschaft ihre Zinserträge dahinschmelzen lassen hat. Doch ob die wichtigste Einnahmequelle deutscher Banken tatsächlich so unter der Zinspolitik leidet, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Zahlen von der Bundesbank jedenfalls vermitteln einen anderen Eindruck, wie die Frankfurter Allgemeine in ihrer Online-Ausgabe zeigt. Ihr zufolge sind die Zinsmargen der Banken – also das, was nach Abzug der Zinsaufwendungen (Zinsen, die sie z. B. an Sparer auszahlt) von den Zinseinnahmen (Zinsen, die sie für Kredite von ihren Kunden erhält) übrigbleibt – in den letzten Jahren nahezu stabil geblieben.
Das muss jedoch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Geldhäuser ihre Zinsgewinne zu Unrecht in Gefahr sehen – und damit ohne Grund neue Ertragsquellen wie Girokontogebühren oder eben Strafzinsen erschließen. So gibt es Geldhäuser, deren Kundenstamm eher sparfreudig ist und kaum Kredite aufnimmt. Das gilt etwa für die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee. Sie verlangt aus genau diesem Grund seit Herbst letzten Jahres Strafzinsen von ihren vermögenden Kunden.
Kurzgefasst: Trotz der schwierigen Zinssituation sind die Zinsmargen der Banken im Mittel recht stabil geblieben. Das trifft aber nicht auf jede Bank zu, sondern ist davon abhängig, ob sich Einlagen und Kredite die Waage halten.
Obwohl die aktuelle Zinslage alle Banken unter Druck setzt, haben bislang nur wenige Geldhäuser Negativzinsen eingeführt. Wie kommt es, dass die eine Bank Strafzinsen verlangt und die andere nicht? Dafür gibt es mehrere Gründe:
✓ Das Zinsumfeld wirkt sich – wie oben beschrieben – auf die Banken unterschiedlich aus, je nachdem, wie viele Einlagen sie verwalten und wie viele Kredite sie vergeben.
✓ Viele Geldhäuser sind zunächst andere Wege gegangen, um den Rückgang ihrer Zinserträge auszugleichen. Mit Personalabbau und Filialschließungen haben sie ihre Kosten gesenkt, mit höheren Gebühren etwa beim Girokonto haben sie eine neue Einkommensquelle geschaffen.
✓ Strafzinsen für private Kunden galten lange als Tabu. Banken fürchteten (und fürchten noch), ihre Kunden wegen Negativzinsen an die Konkurrenz zu verlieren.
Kurzgefasst: Jede Bank entscheidet für sich, ob sie ihre Sparer und Anleger zur Kasse bittet. Bislang gab es für viele Finanzinstitute noch hinreichend Gründe, es nicht zu tun.
Wenn Banken Negativzinsen eingeführt haben, dann fast ausschließlich für Unternehmen, institutionelle Investoren und vermögende Privatanleger. Im Privatkundengeschäft werden Strafzinsen meist erst ab sechs- oder siebenstelligen Beträgen fällig. So etwa bei der Skatbank aus dem thüringischen Altenburg. Die Tochter der VR-Bank Altenburger Land hatte 2014 als erste in Deutschland Minuszinsen für Privatanleger eingeführt. Ihre Kunden zahlen aktuell 0,40 Prozent Zinsen, wenn sie mehr als eine Million Euro auf ihrem Girokonto oder mehr als eine halbe Million auf ihrem Tagesgeldkonto parken. In Gmund am Tegernsee verzinst die oben erwähnte örtliche Raiffeisenbank Einlagen ab einer Höhe von 100.000 Euro mit minus 0,40 Prozent, genauso wie die Volksbank Stendal. Ab derselben Grenze wird auch die Sparda-Bank Berlin ab September Strafzinsen verlangen, wie sie unlängst ihren Kunden mitgeteilt hat. Bei der Sparkasse Köln-Bonn werden Negativzinsen dagegen erst ab einem nicht näher genannten Millionenbetrag fällig. Sie ist übrigens bis dato die einzige Sparkasse, die von ihren privaten Anlegern Strafzinsen einfordert. Noch scheint der Negativzins weitestgehend ein Phänomen der Genossenschaftsbanken zu sein.
Kurzgefasst: Stand heute sind überwiegend vermögende Kunden von Strafzinsen betroffen.
Leider ja. Ganz unverschont bleibt der normale Sparer scheinbar nicht mehr. Auch wenn die Banken immer wieder betonen, auf den Spargroschen ihrer Kunden keine Negativzinsen erheben zu wollen, so sind inzwischen zwei Banken davon abgerückt.
Volksbank Reutlingen
Eine von ihnen ist die Volksbank Reutlingen, die wegen ihrer Negativzinsen aufs Tages- und Festgeld jetzt sogar die Verbraucherschützer auf den Plan gerufen hat. Für das „VR FlexGeld“ zahlen Sparer ab einer Einlagenhöhe von 10.000 Euro neuerdings 0,50 Prozent Zinsen pro Jahr. Für Termingelder werden je nach vereinbarter Laufzeit zwischen 0,10 und 0,25 Prozent jährlich an Strafzinsen fällig. Hier liegt der Mindestanlagebetrag bei 25.000 Euro. Soweit zumindest die Angaben im aktuellen Preisaushang der Bank. Ihr zufolge werde das in der Praxis zwar anders gehandhabt – die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kümmert das allerdings wenig. Für sie sind alle im Preisaushang genannten Zinssätze „automatischer Vertragsbestandteil bestehender und künftiger Verträge“. Ebendiese Zinssätze sind nach Auffassung der Verbraucherschützer im konkreten Fall so nicht haltbar. Sie haben daher rechtliche Schritte gegen die Volksbank Reutlingen eingeleitet. Die Begründung: Bei den Tages- und Festgeldern handle es sich um Spar- und damit um Darlehensverträge, bei welchen die Bank als Darlehensnehmerin auftrete. Als solche sei sie verpflichtet, Zinsen zu zahlen, und dürfe keine Entgelte verlangen, so die Juristin der Verbraucherzentrale gegenüber dem Handelsblatt.
Ein Blick in den Preisaushang verrät außerdem: Die Volksbank Reutlingen verlangt Strafzinsen nicht nur für ihre Sparprodukte, sondern auch fürs Girokonto. Hier werden bereits ab dem ersten Euro Guthaben 0,50 Prozent Zinsen pro Jahr fällig – zusätzlich zum monatlichen Kontoführungsentgelt von bis zu fünf Euro und den diversen Entgelten für Einzelleistungen. Zu diesem Negativzins haben die Verbraucherschützer bislang noch nicht Stellung bezogen.
Anmerkung der Redaktion, 29.06.2017: Die Volksbank Reutlingen hat wegen der Kritik inzwischen zurückgerudert und sämtliche Negativzinsen aus ihrem Preisverzeichnis gestrichen. „Wir haben aktuell keinerlei Pläne, ,Normalsparern‘ Negativzinsen zu berechnen,“ erklärt der Vorstand der Bank in einem offenen Brief vom 26.06.2017. Allerdings räumt er auch ein, man könne „leider nicht kategorisch ausschließen, dass wir eines Tages auf ein verändertes Zinsniveau und dadurch weiter steigende Kosten für die Verwahrung der Kundeneinlagen reagieren müssen.“
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien
Nicht ganz ein Strafzins ist das, was die Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien verlangt. Seit letztem Jahr zahlen Neukunden bei der Bank aus dem sächsischen Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze ein Kontoführungsentgelt für ihr Tagesgeldkonto („VR FlexGeld“). Das hat es so noch nicht gegeben. Je nach Guthabenhöhe werden hier zwischen fünf und 50 Euro pro Monat fällig – mehr, als manche Volksbank beim Girokonto einfordert und bei Weitem zu viel, um die Gebühren ohne Weiteres durch die Verzinsung von derzeit 0,01 Prozent pro Jahr wettzumachen. Wer etwa 10.000 Euro bei der Bank auf dem Tagesgeldkonto anlegt, erhält dafür auf ein ganzes Jahr gerechnet einen Euro Zinsen, muss aber 60 Euro an Gebühren zahlen.
Auf ihrer Website weist die Bank ausdrücklich darauf hin, dass diese Gebühren nicht für Bestandskunden, sondern lediglich für Neukunden gelten. „Von derzeit rund 20.000 Kunden unserer Bank nutzt aktuell keiner das gebührenpflichtige Tagesgeldkonto 'VR FlexGeld'“, heißt es weiter.
So unerfreulich diese Entwicklung für Sparer sein mag: Bislang handelt es sich dabei um ein Randphänomen. Die Banken und Sparkassen wollen kleine Sparer auch in Zukunft nach Kräften von Strafzinsen verschonen, wie etwa Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon im Interview mit CHECK24 betont: „Seien Sie versichert, dass die Institute alles tun, um genau das zu verhindern. Auch wenn das immer schwieriger wird, je länger die Niedrigzinsphase anhält.“ Doch wie Fahrenschon bereits andeutet, kann inzwischen niemand mehr dafür garantieren, dass Sparen für den Normalkunden auf Dauer kostenlos bleibt.
Kurzgefasst: Strafzinsen für Kleinsparer sind noch immer die Ausnahme. Eine Garantie dafür, dass es so bleiben wird, gibt es allerdings nicht.
Wenn eine Bank ihre Gebühren ändert, muss sie ihre Kunden mindestens zwei Monate im Voraus darüber informieren, wie die Verbraucherzentralen auf ihrer zentralen Website verbraucherzentrale.de erklären. Sparer müssen also nicht befürchten, von einem Tag auf den anderen Strafzinsen zahlen zu müssen. Das setzt jedoch eines voraus: Wenn ein Brief der Bank ins Haus flattert, eine Benachrichtigung im Onlinebanking aufleuchtet oder der Kontoauszug mit zusätzlichen Hinweisen versehen ist, sollten Bankkunden das nicht ignorieren.
Gut zu wissen: Alle Entgelte, die eine Bank verlangt, muss sie für den Kunden transparent in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis ausweisen. Alternativ verrät auch der sogenannte Preisaushang, mit dem Filialbanken in ihren Geschäftsstellen ihre Gebühren kenntlich machen müssen, welche Kosten bei welcher Leistung auf den Kunden zukommen. Diese Dokumente haben einige Geldhäuser – bei Weitem nicht alle – auf ihren Webseiten veröffentlicht. Zu finden sind sie meist am Fußende der Seite in der Nähe des Impressums unter Bezeichnungen wie „Preise“, „Preisaushang“, „Preise & Hinweise“, „Preisverzeichnis“ oder auch „Gebühren“. Sind sie nicht auf den ersten Blick zu finden, kann zudem das Suchfeld auf der Website weiterhelfen. Falls auch dies nichts bringt, können sich Kunden beim jeweiligen Produkt auf die Suche nach aktuellen Konditionen begeben oder ihre Bank um die Zusendung eines Preis- und Leistungsverzeichnisses bitten.
Kurzgefasst: Banken müssen Ihre Kunden über geplante Preisänderungen informieren. Sparer können zudem selbst recherchieren. Alle Gebühren sind im Preis- und Leistungsverzeichnis detailliert aufgeschlüsselt. Der Preisaushang bietet einen Überblick über die wichtigsten Gebühren.
Wer feststellt, dass seine Bank neuerdings Strafzinsen auf Sparguthaben erhebt, der sollte zunächst überprüfen, ob er davon auch betroffen ist. Denn wie die bisherigen Beispiele zeigen, gelten Negativzinsen meist erst ab einer bestimmten Einlagenhöhe.
Im Ernstfall sollten Sparer über einen Wechsel ihrer Bank nachdenken. Schließlich gibt es noch genügend Finanzinstitute, die auf einen Negativzins verzichten. Das gilt übrigens auch für alle, die auf ihr Erspartes keine oder nur kaum Zinsen erhalten oder für ihr Girokonto hohe Gebühren bezahlen. Auch hier kann es sich lohnen, nach Alternativen Ausschau zu halten.
Kurzgefasst: Sparer sind Strafzinsen nicht schutzlos ausgeliefert. Sie können selbst aktiv werden und mit ihrem Geld zu einer anderen Bank umziehen.
Ihre Bank verlangt neuerdings Strafzinsen? Oder Sie müssen seit Kurzem Gebühren zahlen, über die Sie sich ärgern? Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen! Sie erreichen die Finanzenredaktion von CHECK24 unter der E-Mail-Adresse redaktionfinanzen@check24.de.
Egal, ob Minuszins oder Minizins: Sparer können mehr für Ihr Geld tun. Hilfestellung bieten dabei folgende weiterführende Artikel:
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