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Die Bankenwelt befindet sich in einem drastischen Umbruch. Digitalisierung und neue Konkurrenz zwingen die Banken zum Überdenken ihrer Geschäftsmodelle. Mit großen Folgen für ihre Kunden.
Wer seine Bankgeschäfte lieber am Schalter als online tätigen will, der muss künftig weitere Wege in Kauf nehmen.
10.200 Filialen haben die Banken seit der Jahrtausendwende in Deutschland geschlossen – an mehr als jedem vierten Standort erhalten die Kunden also keine persönliche Beratung mehr, können nicht mehr an einem Schalter Geld abheben oder einzahlen. Und es wird so weitergehen: Gab es im Jahr 2000 hierzulande noch 38.000 Niederlassungen, wird sich diese Zahl bis zum Jahr 2035 mehr als halbiert haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Universität Siegen zu Filialschließungen in Deutschland zwischen 2000 und 2015.
Derzeit bedienen die Kreditinstitute ihre Kunden hierzulande noch in 27.900 Filialen. Nach Angaben der Autoren beschleunigt sich das Filialsterben in der Bundesrepublik allerdings. Im Schnitt machten die Banken seit dem Jahr 2000 jährlich rund 680 Filialen dicht. Für die Jahre 2014 und 2015 beobachteten die Forscher aber eine Zunahme. So verschwanden alleine in diesen beiden Jahren knapp 2.200 Zweigstellen.
Struktureller Wandel als Anpassung an die Digitalisierung
Getrieben wird diese Entwicklung durch verschiedene Ursachen. Zum einen mindert das aktuelle Zinstief die Erträge der Banken, so dass es für sie immer kostspieliger wird, ein breites Filialnetz zu unterhalten. Zum anderen ändern sich durch die Digitalisierung die Ansprüche der Kunden. Sie regeln ihre finanziellen Angelegenheiten statt in der Filiale zunehmend über das Internet vom heimischen Sofa aus oder von unterwegs über das Smartphone, und zwar auch außerhalb der gewöhnlichen Filial-Öffnungszeiten. Laut einer Umfrage des Handelsblatts und des Beratungsunternehmens Emotion Banking unter 28.000 Bankkunden stattet jeder fünfte Kunde seiner Filiale keinen Besuch mehr ab, jeder zweite besucht die Zweigstelle nur selten. Somit benötigen sieben von zehn Kunden kein Personal mehr vor Ort, um ihre finanziellen Angelegenheiten zu regeln.
Diesem Nutzungsverhalten und dem Anspruch auf ständige Erreichbarkeit begegnen die Kreditinstitute mit immer neuen Online-Angeboten. Die Digitalisierung sorgt auch dafür, dass eine Vielzahl von kleinen technologiebasierten Unternehmen, sogenannte Fintechs, nun ohne Filialen und großen Personalaufwand eine ganze Reihe von finanziellen Dienstleistungen für Verbraucher im ganzen Land anbietet. Beispielsweise können Kunden des Fintechs N26 ein Girokonto komplett über das Smartphone führen. Dieser Wettbewerbsdruck führt offenbar dazu, dass sich der strukturelle Wandel weg von einem großen Filialnetz und hin zu mehr digitalen Angeboten beschleunigt.
Von dem Druck, Kosten durch Filialschließungen einzusparen, sind alle Arten von Banken betroffen. Die Genossenschaftsbanken etwa verringerten die Zahl ihrer Niederlassungen 2011 um 0,6 Prozent, 2015 schlossen sie 3,9 Prozent der verbleibenden Filialen. Bei den Sparkassen zeigt sich ein ähnliches Bild: 2012 sank die Zahl der Filialen um 0,4 Prozent, 2015 um weitere 4,2 Prozent. Auch bei den Privatbanken nahm der Rückbau zu. 2011 schlossen sie 1,4 Prozent der Niederlassungen, 2015 schon 3,8 Prozent.
Auch zwischen Stadt und Land gibt es kaum Unterschiede. Seit dem Jahr 2000 ist die Anzahl an Bankfilialen im Landkreis Osterode am Harz von 78 auf 32 geschrumpft, ein Rückgang von 59 Prozent. Die Stadt Bayreuth verzeichnete im gleichen Zeitraum mit 52 Prozent einen ähnlichen Rückgang. Durchschnittlich können sich die Bewohner einer deutschen Stadt an ihrem Wohnort in 60 Filialen bedienen lassen, vor 17 Jahren standen ihnen noch 79 zur Verfügung. Ähnlich sieht es bei den Landkreisen aus. Diese beherbergen im Mittel 73 Niederlassungen, im Jahr 2000 waren es durchschnittlich noch 101 Standorte. Doch es gibt auch einige wenige Städte, in denen neue Filialen hinzukommen, beispielsweise in Frankfurt (Oder), wo das Filialangebot um 59 Prozent gewachsen ist.
Längere Wege für Verbraucher
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bevölkerung schrumpft, wird sich die Anzahl der Filialen in Deutschland von 4,1 Zweigstellen pro 10.000 Einwohner aus dem Jahr 2000 auf 2,4 Filialen im Jahr 2035 reduzieren. Für Verbraucher bedeutet diese Entwicklung, dass sie weitere Wege bis zur nächsten Bankfiliale in Kauf nehmen müssen. Schon wenn die Zahl der Filialen von 4,1 nur auf 3,1 pro 10.000 Einwohner zurückginge, würde sich der Weg eines Kunden zur nächsten Filiale um durchschnittlich fünf Kilometer verlängern. Da es sich hier um einen Mittelwert handelt, werden die Sparer in ländlichen Regionen künftig noch weitere Wege in Kauf nehmen müssen. Schon heute dürften vor allem ältere Bürger darunter leiden. Diese sind nicht nur oft in ihrer Mobilität eingeschränkt, sondern regeln womöglich in den meisten Fällen ihre finanziellen Angelegenheiten auch nicht über das Internet. Hinzu kommt, dass der persönliche Kontakt zum Bankberater und das dadurch entstandene Vertrauensverhältnis verloren gehen könnten.
Was eine Filialschließung für eine einzelne Ortschaft bedeuten kann, zeigt der Fall Baltrum. Laut FAZ schließt am 1. Dezember die Sparkasse auf der kleinen Nordseeinsel. Eine Filiale in dem Urlaubsort rechnet sich nicht mehr. Für Sparkassen-Kunden unter den Insulanern bedeutet das, dass sie künftig aufs Festland übersetzen müssen, wenn sie Geld einzahlen wollen. Und in einem Tourismusort mit Gastronomie sind Bargeldeinzahlungen nötiger als anderswo. Deshalb demonstrieren die Inselbewohner schon mit Bannern, auf denen „Wohin mit dem Bargeld?“ geschrieben steht.
Auch in den Nachbarländern wird das Filialnetz dünner
Das Filialsterben beschränkt sich nicht auf Deutschland. Auch andere Länder sind von dem strukturellen Wandel im Bankensektor betroffen. Das zeigt sich besonders in den Niederlanden. Dort schlossen zwischen 2000 und 2015 zwei Drittel aller Bankfilialen. In Dänemark waren es im selben Zeitraum etwas mehr als die Hälfte und in Belgien 48 Prozent. In Frankreich und Portugal scheinen die Uhren anders zu ticken. Dort haben die Banken ihre Filialnetze seit der Jahrtausendwende jeweils um die Hälfte vergrößert. Mittlerweile gibt es in Frankreich etwa 10.000 Niederlassungen mehr als in Deutschland – bei 14 Millionen weniger Einwohnern. Deshalb gibt es in Frankreich auch 5,7 Filialen pro 10.000 Einwohnern. Zum Vergleich: Die Niederlande kommen lediglich auf eine Filiale. Der europäische Durchschnitt liegt bei 3,7.