Von der Inflation hat fast jeder schon einmal gehört. Doch wie äußert sich Inflation im Alltag? Lässt sich Inflation steuern? Was genau ist Deflation? Die Antworten erfahren Sie hier.
„Butter ist schon wieder teurer geworden?“ Frau Zimmermann schaut verdutzt auf ihren Einkaufsbon. Sie schüttelt ungläubig den Kopf und macht sich auf den Heimweg. Zuhause angekommen, öffnet sie mit der Einkaufstüte in der Hand den Briefkasten. Darin findet sie einen Brief vom Vermieter – die Nebenkostenabrechnung. Noch bevor sie ihren Mantel abgelegt und die Einkäufe im Kühlschrank verstaut hat, öffnet sie den Brief, während sie die Haustür hinter sich schließt. „Wahnsinn, die Preise für Strom und Heizkosten sind gegenüber dem Vorjahr auch gestiegen“, klagt sie. „Und das nach der Mieterhöhung im letzten Monat.“ Für Frau Zimmermann fühlt es sich so an, als wenn alles ständig teurer wird. Aber ist das wirklich so?
Was ist Inflation?
Was Frau Zimmermann in ihrem Geldbeutel spürt, ist die Inflation. Der Begriff Inflation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Aufblähung. Inflation liegt dann vor, wenn die Preise „aufgebläht“ sind, wenn also Waren und Dienstleistungen teurer werden. Steigt das Preisniveau, verringert sich die Kaufkraft des Geldes. Deshalb spricht man bei Inflation auch von Geldentwertung. Frau Zimmermann kann sich wegen des Preisanstiegs heute für 100 Euro weniger leisten als noch vor einem Jahr. Im März lag die Inflationsrate in Deutschland bei 1,6 Prozent.
Wenn die Preise steigen, kann das mehrere Ursachen haben. Die Europäische Zentralbank kann die Inflation nach oben treiben, wenn sie mehr Geld in Umlauf bringt - wie sie es derzeit tut, um Wirtschaft und Konsum in der Eurozone anzukurbeln. Dadurch steigt die Geldmenge stärker als die Menge der Waren auf dem Markt. Das lässt die Preise steigen. Wenn Verbraucher wie Frau Zimmermann von ihren Arbeitgebern höhere Löhne erhalten und sich deshalb mehr leisten können, gehen die Preise ebenfalls nach oben. Kaufen Frau Zimmermann und ihre Nachbarn beispielsweise mehr Schuhe, weil sie mehr Geld im Geldbeutel haben, steigt dadurch die Nachfrage für Schuhe. Da das Angebot gleich bleibt, erhöhen die Hersteller die Preise. Weil das Geld der Verbraucher einerseits weniger wert ist als zuvor und weil andererseits die Preise steigen, verlangen die Menschen möglicherweise noch höhere Löhne. Die dadurch entstehenden Kosten geben die Unternehmen in Form von Preiserhöhungen an die Verbraucher weiter. Inflation kann also durch höhere Löhne, gestiegene Verbraucherpreise oder durch die Erhöhung der Geldmenge entstehen.
Die Hyperinflation in der Weimarer Republik
In den 20er Jahren wurde in Deutschland aus einer Inflation eine Hyperinflation. Um die Reparationszahlungen an die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg aufbringen zu können, schmiss die deutsche Regierung die Notenpressen an und druckte immer mehr Geld. Es wurden aber nicht mehr Waren produziert, weshalb die Preise stiegen, bis es 1923 zur Hyperinflation kam. Im November 1923 entsprach der Kurs für 1 US-Dollar 4,2 Billionen Mark. Ein Kilo Brot kostete in Berlin zu dieser Zeit 428 Milliarden Mark. Zwischen Januar 1922 und November 1923 stiegen die Preise um 1 Million Prozent. Die Teuerung schritt so rapide voran, dass schon das Warten auf die Rechnung in einem Café den Preis einer Tasse Kaffee um Tausende Mark stiegen ließ. Erst eine Währungsreform konnte die Hyperinflation stoppen.
So wird die Inflation gemessen
Die Inflationsrate wird mithilfe eines Preisindex berechnet. In der Eurozone ist das der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI). Jeden Monat schickt Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Union, Leute in die Supermärkte und auf die Straßen, die die Preise von 700 Produkten notieren, von Nahrungsmitteln wie Butter oder Fleisch über die Preise von Elektrogeräten wie Fernseher und Energieträger wie Benzin, Heizöl oder Strom. Daraus, wie sich die Preise gegenüber dem Vorjahr und Vormonat verändern, berechnen sie die Inflationsrate. Diese beziffert den durchschnittlichen Preisanstieg für diese Waren und Dienstleistungen. Für Deutschland berechnet das Statistische Bundesamt die Inflation mit einem leicht abweichenden Warenkorb.
Sparer leiden, Kreditnehmer profitieren
Vor ihrer Mieterhöhung vor einem Jahr musste Frau Zimmermann für Ihre Wohnung 1000 Euro Miete zahlen. Nach der Mieterhöhung überweist sie nun jeden Monat 1030 Euro an ihren Vermieter. Ihre Miete ist also um drei Prozent gestiegen, was in etwa dem bundesweiten Schnitt entspricht. Da Frau Zimmermann in der Großstadt kein Auto braucht, berührten Sie die Preissteigerungen für Benzin nicht. Allerdings ist sie starke Raucherin und Tabak ist in den letzten zwölf Monaten im Schnitt um zwei Prozent teurer geworden. Alles in allem liegt Frau Zimmermanns persönliche Inflationsrate etwas über der Inflation, die im letzten Jahr in der Bundesrepublik bei 1,8 Prozent lag. Die persönliche Inflationsrate ergibt sich, weil Frau Zimmermann nicht alle Waren überhaupt konsumiert oder in der Gewichtung, wie diese in dem imaginären Warenkorb des HVPI enthalten sind. Und gerade von den Waren und Dienstleistungen, für die sie ihr Geld ausgibt, sind einige in besonderem Maße teurer geworden.
Aber nicht nur bei ihren Lebenshaltungskosten merkt Frau Zimmermann, dass ihr Geld an Wert verliert. Viel stärker wirkt sich die Inflation hingegen auf die Ersparnisse auf Frau Zimmermanns Tagesgeldkonto aus. Da ihr die Bank aufgrund der Niedrigzinsphase nur einen jährlichen Zinssatz von 0,3 Prozent zahlt, verlor ihr Geld im letzten Jahr 1,5 Prozent an Wert. Mit anderen Worten: Zu Beginn dieses Jahres konnte sich Frau Zimmermann von ihrem Ersparten weniger kaufen als zu Beginn des letzten Jahres, obwohl der Betrag auf ihrem Konto durch die Zinszahlungen sogar leicht gestiegen ist. Solange die Zinsen unterhalb der Inflationsrate liegen, verlieren Ersparnisse an Wert.
Der Kredit hingegen, den Frau Zimmermann für ihre neue Küche aufgenommen hat, verlor durch die Inflation auch an Wert. Denn bei einer Geldentwertung verlieren nicht nur Ersparnisse an Wert, sondern auch Schulden. Zwar bleibt auch hier der nominale Restkreditbetrag, den Frau Zimmermann ihrer Bank schuldet gleich, aber die Kaufkraft des Betrages sank um 1,8 Prozent. Das bedeutet, dass sich Frau Zimmermann für den ausstehenden Restbetrag weniger hätte kaufen können. Die Schulden sind also weniger wert.
Was ist Deflation?
Aus Erfahrung weiß Frau Zimmermann, dass die Preise für Waren und Dienstleistungen nicht nur steigen, sondern auch sinken können. Im April 2016 war die Inflation in Deutschland mit -0,1 Prozent negativ. Fallen die Preise dauerhaft, spricht man nicht von Inflation, sondern von Deflation. Die Preise „blähen“ sich dann nicht mehr auf, sondern verfallen. In diesem Fall wird das Geld von Frau Zimmerman mehr wert, da sie sich für den gleichen Betrag mehr leisten kann. Das klingt zunächst einmal positiv, doch die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen einer Deflation sind gravierender als die von Inflation. Deflation entsteht, wenn die Nachfrage nach Waren geringer ist als das Angebot. Um ihre Produkte abzusetzen, senken die Unternehmen die Preise. Spekulieren die Verbraucher in dieser Situation darauf, dass die Preise weiter fallen, halten sie sich mit Ausgaben zurück. Die Folge davon ist, dass die Preise noch mehr sinken. Weil die Unternehmen weniger verkaufen, senken sie die Löhne und entlassen Arbeitskräfte. Dann konsumieren die Verbraucher noch weniger, die Folge dieser Deflationsspirale ist eine Wirtschaftskrise.
Die Europäische Zentralbank will eine Defaltion daher vermeiden. Sie strebt sogar eine Infaltionsrate von knapp unter zwei Prozent an, wie Frau Zimmermann zuletzt öfter in der Zeitung gelesen hat.
Maßnahmen um Inflation zu steuern und Deflation zu bekämpfen
Nach der Finanzkrise von 2007 sahen die Zentralbanken in den USA und Europa die Gefahr einer Deflation. Denn in Folge des Konjunktureinbruchs stürzte die Inflationsrate ab, in Deutschland beispielsweise von 2,6 Prozent in 2008 auf 0,3 Prozent in 2009. Um einer drohenden Deflation entgegenzuwirken, senkten die Zentralbanken die Leitzinsen, was vor allem den Konsum ankurbeln sollte. Bei niedrigen Leitzinsen können die Banken günstigere Kredite an Verbraucher vergeben. Die können sich von dem geliehenen Geld mehr Waren und Deinstleistungen leisten. Tatsächlich haben die Zentralbanken eine Deflation abgewendet. An ihrem Ziel ist die EZB aber noch nicht, da die Inflationsrate zuletzt immer wieder geschwankt hat. Frau Zimmermann wird also weiterhin den Butterpreis genau beobachten.