Wer hierzulande an der Kasse oder im Restaurant zum Zahlen nicht die Geldbörse, sondern das Smartphone zückt, der erntet schnell einige erstaunte Blicke – nicht selten gar vom Kassenpersonal. Dieses Jahr soll sich beim Mobile Payment, also dem Bezahlen via Smartphone oder Wearable, aber alles ändern. Das ist zumindest der Ton, den die Verantwortlichen beim Kreditkartenanbieter Visa bei dem Thema anschlagen.
Alles wird sich ändern – und was genau?
Die Nachricht, die an diesem Tag unterschwellig durchklingt, lässt mehr als hoffen: Ein großer US-amerikanischer Technologiekonzern soll noch dieses Jahr in Deutschland mit Mobile Payment starten, verrät Albrecht Kiel, Regional Managing Director für Zentraleuropa bei Visa. Etwa Apple, auf dessen Vorzeige-Anwendung Apple Pay Digitalaffine schon seit geraumer Zeit warten? Oder können wir bald schon mit Google Pay per Smartphone an der Ladenkasse zahlen? Das bleibt zunächst offen. Für Klarheit zu sorgen, sei Sache des betreffenden Konzerns, heißt es von Visa.
Technologisch, so die Verantwortlichen von Visa, sind alle Voraussetzungen für das Bezahlen mit dem Smartphone hierzulande längst geschaffen. Denn jedes Kassenterminal, das Kontaktloskarten akzeptiert, eignet sich auch für Mobile Payment. Und die finden sich Stand heute in praktisch allen großen Ladenketten – bis 2020 sollen laut Visa sogar alle Terminals in Deutschland Kontaktloszahlungen und damit auch solche per Smartphone erlauben. Und so ist es – wenn auch inoffiziell – schon heute möglich, an der Ladenkasse via Apple Pay zu zahlen. Dann nämlich, wenn der Kunde einen kleinen Trick anwendet.
Bezahlen mit dem Fitnesstracker: Fitbit startet im zweiten Halbjahr
Während uns die globalen Player also immer noch eine Antwort schuldig bleiben, gibt es von anderen Anbietern klare Ansagen: Fitbit, einer der führenden Hersteller von Fitnessuhren, will noch in der zweiten Jahreshälfte 2018 seine Wallet Fitbit Pay für deutsche Kunden öffnen. Das verspricht zumindest Michael Maier, Fitbit-Geschäftsführer für Deutschland, Österreich und die Schweiz, der beim Visa-Pressegespräch ebenfalls zugegen war.
Bald schon sollen Kunden also ihre Kreditkarte auf ihrer Uhr hinterlegen können – um zum Beispiel beim Joggen auch ohne Smartphone oder Geldbörse immer flüssig zu bleiben. Damit das klappt, braucht es aber das richtige Modell – nur auf den Smartwatches aus dem Hause Fitbit, wie etwa der Ionic, die seit Herbst letzten Jahres verkauft wird, lässt sich Fitbit Pay überhaupt installieren. Nichtsdestotrotz könnte Fitbit wohl der erste Smartwatch-Hersteller werden, der deutschen Kunden mobiles Bezahlen ermöglicht.
Girocard wandert ins Smartphone: vorerst aber nur bei den Sparkassen und VR-Banken
Ohne Smartwatch, aber klassisch mit Smartphone sollen ab diesem Jahr auch Sparkassen- und VR-Bankkunden bezahlen können. Die nämlich arbeiten schon seit geraumer Zeit an ihrer Girocard Mobile – einer digitalen Version der klassischen Bankkarte, die sich für Mobile Payment nutzen lässt. Ab Mitte dieses Jahres sollen Sparkassenkunden die Girocard Mobile nutzen können. Der Großteil der Kunden von Volks- und Raiffeisenbanken soll ab Juli die Möglichkeit bekommen, mit digitaler Girocard auf dem Smartphone zu zahlen. Das hatte der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bereits Ende letzten Jahres angekündigt.
Auslaufmodell: Vodafone stampft seine Wallet ein
Während die einen noch den Markstart vorbereiten, ziehen sich andere bereits wieder aus dem mobilen Bezahlen zurück. Jüngstes Beispiel: Vodafone. Der Mobilfunkanbieter hat vor wenigen Tagen angekündigt, seine Wallet zum 28. Juni vom Markt zu nehmen. Wer die digitale Brieftasche schon nutzt, dem stehen bis zu diesem Stichtag noch alle Funktionen wie gewohnt zur Verfügung. Neukunden können sich hingegen schon nicht mehr registrieren.
Damit folgt Vodafone den Beispielen aller anderen Mobilfunkanbieter, die ebenfalls schon versucht haben, die Deutschen für das Bezahlen mit dem Mobilgerät zu gewinnen – Telekom, O2 und Base. Bleibt zu klären: Warum zieht Vodafone, bislang noch wacker gehalten, gerade jetzt einen Schlussstrich? Schlechte Nutzerzahlen? Oder bereitet man sich tatsächlich auf die Einführung dieses sagenumwobenen US-amerikanischen Payment-Dienstes vor? Auch das muss vorerst offenbleiben.
Im Betrieb: Wer heute schon Mobile Payment anbietet
Auch wenn die Liste der Anbieter mit dem Ende der Vodafone Wallet um einen Punkt kürzer wird: Leer ist sie nicht. Da wären etwa kostenpflichtige Dienste wie Boon oder Rabattsysteme wie Payback, die eigene Mobile-Payment-Lösungen anbieten. So mancher Bankkunde kann sogar die Lösung seiner Hausbank nutzen. Möglich sind mobile Zahlungen aktuell zum Beispiel mit der DB Mobile App der Deutschen Bank oder auch mit der Postbank-App.
Überzeugungsarbeit: Deutsche sind weiterhin skeptisch
Es sieht also ganz danach aus, als könnte sich 2018 tatsächlich einiges tun in Sachen Mobile Payment. Doch will man das hierzulande überhaupt? Eine Studie der Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke hat jüngst gezeigt: Dem Deutschen das mobile Bezahlen schmackhaft zu machen, wird schwer. Viel zu groß sind hierzulande noch die Vorbehalte – auch und vor allem, was die Sicherheit angeht. Und statt allmählich mehr Vertrauen zu fassen, zeigen sich die Bundesbürger sogar zunehmend besorgt (siehe Kasten).
Vorbehalte der Deutschen gegenüber Mobile Payment
(Veränderung 2017 gegenüber 2016)
✓ Angst vor einem Missbrauch haben 85 Prozent der Deutschen (+9 Prozentpunkte).
✓ 86 Prozent sind wegen etwaiger Sicherheitslücken besorgt (+9 Prozentpunkte).
✓ 84 Prozent glauben, dass sie mit Mobile Payment zu viele persönliche Daten preisgeben (+24 Prozentpunkte).
✓ Den Verlust oder Diebstahl des Smartphones nennen 67 Prozent als Grund für ihre Vorbehalte (+13 Prozentpunkte).
✓ 75 Prozent glauben nicht an einen reibungslosen Ablauf der Technik (+31 Prozentpunkte).
✓ Dass der Akku beim Bezahlen streiken könnte, ist für 52 Prozent ein Thema (+16 Prozent).
Befragung unter 2.000 Personen ab 18 Jahren im Zeitraum vom 30. September bis 15. Oktober 2017, Quelle: Osborne Clarke
Ganz so unsicher, wie viele Verbraucher fürchten, ist das Bezahlen mit dem Smartphone und anderen Mobilgeräten wie Smartwatches aber nicht. Das hat mehrere Gründe:
✓ Alle Geräte, auf denen sich etwa eine Visa-Karte hinterlegen lässt, werden vorab ausgiebig im Auftrag des Kartenherstellers auf etwaige Sicherheitslücken hin überprüft, versichert uns Visa.
✓ Sowohl bei Visa als auch bei Mastercard liegt die Haftungsgrenze bei null – bei Missbrauch der Karten haften Karteninhaber also nicht selbst für den Schaden.
✓ Ab einem bestimmten Einkaufswert – meist 25, je nach Bank auch bis zu 50 Euro – ist auch bei Mobile Payment die PIN-Eingabe erforderlich.
✓ Die sensiblen Kartendaten werden beim mobilen Bezahlen nicht an den Händler übergeben, sondern durch Platzhalter – sogenannte Tokens – ersetzt (siehe Kasten).
Kurzgefasst: das Visa-Token-System
Auf jedem Gerät wird für jede Anwendung ein eigener Platzhalter – das Token – bestimmt. Das Token ist genauso lang wie die Kreditkartennummer. Bei der Bezahlung wird es anstelle der Kartennummer zunächst an den Händler und von diesem an seine Bank übermittelt. Erst die Bank des Händlers fordert bei Visa die zugehörigen Zahlungsdaten an, um das Geld vom Kreditkartenkonto abzubuchen.
Für den Kunden heißt das: Falls Dritte eines ihrer Tokens abgreifen, können sie es nicht außerhalb der Anwendung und nicht ohne da zugehörige Gerät nutzen. Und falls einmal ein Smartphone verlorengeht oder gestohlen wird, reicht es, die dafür verwendeten Tokens zu deaktivieren. Die Kreditkarte sperren zu lassen, ist nicht nötig.
Kontaktlos und mobil bezahlen: So funktioniert's