Es ist Dienstagmorgen, 6:57 Uhr. Mein erster Blick an diesem Tag gilt meinem Smartphone – für mich eigentlich ungewöhnlich. Doch ich habe einen guten Grund dafür, mich dieses eine Mal von meinen Gewohnheiten zu verabschieden: Nach langem Warten und etlichen Gerüchten über den baldigen Start von Google Pay in Deutschland soll es an diesem Tag endlich losgehen. Und tatsächlich: Kurz gegoogelt lande ich im Play Store, wo ich mir die App direkt herunterlade.
Ganz reibungslos verläuft der Start nicht, …
Kreditkartennummer, Ablaufdatum und Prüfziffer eingegeben, ist meine Kreditkarte auch schon virtuell in der App hinterlegt. Einen Klick später folgt zunächst der Abgleich meiner Adressdaten und dann eine Sicherheitsprüfung, bei der mir eine Testabbuchung über zwei Cent oder ein Anruf bei meiner Bank zur Auswahl stehen. Das soll sicherstellen, dass ich auch rechtmäßiger Inhaber meiner Kreditkarte bin. „Testabbuchung, klarer Fall“, entscheide ich in der festen Überzeugung, dass die Einrichtung dann umso schneller gelingt. Doch ganz so schnell wie erhofft geht es dann doch nicht.
Direkt über die App werde ich zu meiner Bank weitergeleitet. Es folgt Ernüchterung: Von einer Funktionsstörung ist da die Rede. Nach zwei, drei erfolglosen Versuchen gebe ich es vorerst auf und nutze die Gelegenheit, um unter die Dusche zu springen, nur um danach direkt wieder zum Smartphone zu greifen und festzustellen: Es geht immer noch nichts.
8:34 Uhr: Eineinhalb Stunden und etliche Versuche später – ich bin inzwischen dazu übergegangen, bei der Bank anzurufen und sitze längst im Büro – hänge ich in der Warteschleife. Nach James Blunt und Robbie Williams habe ich schließlich eine freundliche Kundenberaterin am Ohr. Dann geht es ganz schnell: Sie fragt mich nach meiner Kreditkartennummer, ich diktiere und schon bin ich für Google Pay freigeschaltet. Wären da nicht die technischen Probleme gewesen, hätte ich Google Pay wahrscheinlich in weniger als einer Minute eingerichtet. Aber sei es drum – Startschwierigkeiten kommen vor. Ich bin zufrieden und mache mich auf zum nächsten Supermarkt.
… das Bezahlen mit dem Smartphone dafür umso mehr
Dass ich einmal nur um des Bezahlens willen einkaufen würde, hätte ich mir nicht erträumt. Aber zu groß ist meine Neugier. Im Supermarkt angekommen schnappe ich mir ein paar Snacks und begebe mich auf schnellstem Weg zur Kasse.
8:46 Uhr: Per Fingerabdruck entsperre ich mein Smartphone, lege es aufs Terminal und bekomme eine Sekunde später schon per Piepton die Bestätigung über meine Zahlung. Dass ich mit meinem Einkauf über 2,63 Euro mein Handy gar nicht hätte entsperren müssen, lese ich erst später – das ist nämlich nur bei Beträgen über 25 Euro nötig. Für kleinere Einkäufe reicht es schon, das Display zu aktivieren.
Mir selbst ist anzusehen, dass das für mich Neuland ist. Von der Kassiererin kann man das nicht behaupten. Kein fragender Blick, keine fragenden Worte. Es ist fast schon, als wäre Mobile Payment in Deutschland das Normalste der Welt. Aber eben nur fast.
Viele Bankkunden müssen weiter warten
Als Comdirect-Kundin habe ich Glück – meine Bank gehört zu den wenigen, die von Beginn an dabei sind. Mit dem passenden Smartphone und der passenden Kreditkarte bin ich ebenso ausgestattet – das trifft bei Weitem nicht auf alle Bankkunden zu (siehe Box).
Das braucht’s für Google Pay
Wer mit Google Pay mobil bezahlen will, der muss Stand heute bei einer der folgenden Banken Kunde sein:
✓ Comdirect
✓ Commerzbank
✓ Boon (Wirecard)
✓ N26
Eine kurze Liste. Immerhin: Kunden der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und ihrer Tochter BW-Bank dürfen auf eine baldige Nutzung von Google Pay hoffen – die beiden Geldhäuser stehen laut dem Kreditkartenunternehmen Visa bereits in den Startlöchern, ebenso wie das britische Fintech Revolut, das Google schon als baldigen Partner listet.
Weitere Voraussetzung ist die passende Kreditkarte von einer der genannten Banken. So werden bislang nur Visa und Mastercard unterstützt, spezielle Kreditkarten wie die Visa Deutsche Bahn der Commerzbank sind davon ausgenommen. Genauso wenig lässt sich übrigens die Girocard bei Google Pay hinterlegen – eine Kreditkarte ist fürs mobile Bezahlen à la Google bis auf Weiteres also Pflicht.
Und dann braucht es zu guter Letzt noch das passende Smartphone (oder auch die passende Smartwatch): Nur, wenn das eigene Gerät mit Android läuft, NFC-fähig und von Google und den Kreditkartenherstellern geprüft ist, lässt es sich auch zum Bezahlen an der Ladenkasse nutzen. Eine Mindestanforderung in puncto Android-Version gibt es dagegen nicht – die ist laut dem US-Konzern geräteabhängig. Aus eigener Erfahrung können wir aber sagen: Google Pay läuft sowohl unter Android 7.0 als auch unter der 8.0er Version anstandslos.
Google Pay kann mehr als Mobile Payment
Keine zwei Schritte habe ich mich von der Kasse entfernt, da ist mein Einkauf auch schon in der App zu sehen. Zugegeben: So eine Transaktionsübersicht bieten Multibanking-Apps wie der CHECK24 Kontomanager schon lange, eine nette Beigabe ist sie aber auf jeden Fall.
Ein weiteres Nice-to-Have für alle Punktesammler: Auch Treuekarten wandern mit Google Pay jetzt schnell und einfach ins Smartphone. In meinem Fall hat das Abfotografieren des auf meiner Payback-Karte abgedruckten Barcodes genügt, um beim Punktesammeln an der Kasse in Zukunft nur noch das Smartphone vorzeigen zu müssen.
Google Pay kommt aber nicht nur als Mobile-Payment-Lösung daher. Auch online – sei es bei der Bestellung des Abendessens oder bei der Flugbuchung – lässt sich mit Google Pay bezahlen. Fraglich ist allerdings, ob es das unbedingt braucht – schließlich wären da ja noch Bezahldienste wie Paypal, das inzwischen praktisch überall im Netz als Zahlungsmittel akzeptiert wird.
Der klare Nutzen von Google Pay (und wahrscheinlich auch der Grund, warum der Start in Deutschland so lange herbeigefiebert wurde) ist und bleibt trotz aller Zusatzfunktionen wohl das Zahlen ohne Geldbeutel an der Ladenkasse.
Wo Google Pay akzeptiert wird
Mobil bezahlen lässt sich mit Google Pay überall dort, wo auch kontaktlose Zahlungen mit Karte akzeptiert werden. Da sind die auf der Infoseite von Google Pay gelisteten Händler nur ein kleiner Ausschnitt. Laut Visa sollen zum Ende des Jahres 75 Prozent aller Kartenlesegeräte im deutschen Handel kontaktlosfähig sein und damit auch fürs mobile Bezahlen zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die zahlreichen Kontaktlosterminals im Ausland.
Mein persönliches Fazit zu Google Pay
Das Warten auf Google Pay hat sich für mich in jedem Fall gelohnt – die App ist praktisch, in jedem Fall aber eine nette Spielerei. Doch auch, wenn ich mir nach meinem Selbstversuch sicher bin, nicht das letzte Mal meine Einkäufe mit Google Pay bezahlt zu haben, so werde ich meinen Geldbeutel wohl noch für geraume Zeit stets griffbereit haben – nicht zuletzt, da die App deutlich an meinem Akku genagt hat. Mich beim Bezahlen komplett auf meinen Akku zu verlassen, kommt für mich dann eben doch nicht infrage. Eine Einstellung, die übrigens jeder zweite Deutsche teilt (siehe Box).
Google muss sich das Vertrauen der Deutschen erst noch erarbeiten
Eine Ende 2017 durchgeführte Umfrage der Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke zum Thema Mobile Payment hat ergeben: Die Hälfte der Deutschen fürchtet, dass der Akku ihnen beim Bezahlen mit dem Smartphone einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Am Ende aber dürfte diese Befürchtung wohl das geringste Hindernis für eine breite Nutzung von Google Pay sein.
Viel besorgter zeigen sich die Deutschen laut Studie nämlich, wenn es um die Sicherheit ihrer persönlichen Daten geht. Mehr als 80 Prozent der Umfrageteilnehmer äußerten dahingehend Bedenken. Bleibt zu klären: Wie sicher ist Mobile Payment eigentlich? Und wie sicher ist Google Pay? Kurzgefasst: Sowohl Google als auch die Kreditkartenhersteller tun einiges, um das Bezahlen mit dem Smartphone sicher zu machen.
So steht es um die Sicherheit von Google Pay
Wer etwa einen Blick in die App wirft, der findet bei seinen dort hinterlegten Kreditkarten stets auch eine virtuelle Kartennummer – das sogenannte Token. Dieser 16-stellige Code wird nur einmal pro Karte, Gerät und App vergeben und ersetzt beim Bezahlvorgang die Kreditkartennummer. So werden die tatsächlichen Zahlungsinformationen niemals an den Händler übermittelt. Mit dieser von Visa und Mastercard eingeführten Technologie soll ein Missbrauch verhindert werden.
Doch selbst, wenn einmal der Ernstfall eintritt, sind Karteninhaber auch mit Google Pay geschützt. Visa und Mastercard haben ihre Haftungsgrenze längst auf null Euro gesenkt. „Karteninhaber haften demnach nicht für Zahlungen, die sie nicht autorisiert haben – dabei macht es keinen Unterschied ob per Plastikkarte bezahlt wurde oder mit der im Smartphone hinterlegten virtuellen Entsprechung“, versichert Albrecht Kiel, Regional Managing Director Zentraleuropa bei Visa.
Und dann wäre da noch die Sperre auf dem Smartphone. Wer hier selbst auf Sicherheit setzt, der ist auch bei Mobile Payment auf der sicheren Seite. Denn zumindest bei Einkäufen über mehr als 25 Euro muss das Mobiltelefon erst entsperrt werden – das entspricht der üblichen Grenze, ab der beim kontaktlosen Bezahlen mit Karte eine PIN-Eingabe erforderlich ist.
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