Das Handy ans Kassenterminal halten, Zahlung per Fingerabdruck auf dem Smartphone bestätigen, fertig – so oder so ähnlich funktioniert Mobile Payment (siehe Grafik). Was einfach klingt und in vielen europäischen Ländern schon üblich ist, nutzen die Deutschen noch immer äußerst selten. Warum? Das haben wir Volker Koppe gefragt. Er ist beim Kreditkartenanbieter Visa für Mobile Payment zuständig. Im Interview mit CHECK24 erklärt er, warum sich mobiles Bezahlen für die Kunden lohnt, weshalb es sich bisher trotzdem nicht durchgesetzt hat und wie sich das ändern könnte. Außerdem: Warum Kreditkarteninhaber immer häufiger kontaktlos bezahlen und wie intelligente Geräte uns das Bezahlen in Zukunft erleichtern könnten.
CHECK24: Herr Koppe, wann haben Sie das letzte Mal Ihren Einkauf mit dem Smartphone bezahlt?
Volker Koppe: Gestern. Ich war in der Schweiz unterwegs und habe mein Mittagessen mit Apple Pay bezahlt. Dort können Sie eigentlich alles mit Karte bezahlen und fast alles kontaktlos, auch mobil.
Und wie oft passiert es, dass andere zum Beispiel an der Kasse vor Ihnen mobil bezahlen?
Das hängt davon ab, wo ich mich gerade aufhalte. Wenn ich in London bin, dann sehe ich das relativ häufig, zum Beispiel an der U-Bahn. Wenn Sie eine Station durch die Schranke betreten, müssen Sie nicht erst die Karte aus der Geldbörse herausfischen, sondern nutzen das Handy, das Sie ja eh in der Hand haben oder schnell aus der Hosentasche holen. Hier bringt mobiles Bezahlen einen echten Zeitvorteil und wird auch häufig genutzt. In der Schweiz sehe ich das manchmal – dort ist Mobile Payment ja auch noch recht neu. Bis sich das durchsetzt, dauert es seine Zeit. In Deutschland sehe ich ganz selten jemanden, der mit dem Smartphone bezahlt. Kontaktlos mit der Karte ja, aber nicht mit dem Handy. Dafür gibt es in Deutschland noch zu wenig Angebote.
Was spricht außer dem Zeitvorteil noch dafür, mobil zu bezahlen?
Hat der Kunde zum Beispiel zwei kontaktlose Karten im Geldbeutel, reicht es nicht, die Brieftasche gegen das Terminal zu halten. Denn dann weiß das Terminal nicht, von welcher Karte es abbuchen soll und blockiert. Der Kunde muss also erst die Karte herausnehmen, mit der er bezahlen will. Beim Smartphone ist das anders – hier definiert er eine Karte als Standard.
Ein weiterer Vorteil ist die Transaktionsübersicht auf dem Handy. Wenn jemand beispielsweise Samsung Pay oder eine eigene Wallet seiner Bank hat, kann er jederzeit sehen, wo er wann wie viel mit einer Karte gezahlt hat – nicht erst mit dem monatlichen Kontoauszug oder der Kreditkartenabrechnung. Das macht das Bezahlen transparenter.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Bequemlichkeit. Muss sich ein Einkäufer zum Freigeben der Zahlung authentifizieren, braucht er im Gegensatz zur Kartenzahlung je nach App keine PIN am Terminal einzutippen, sondern hält zum Beispiel bloß den Finger auf den Fingerabdrucksensor seines Smartphones.
Und wie steht es um die Sicherheit? Hat Mobile Payment da auch Vorzüge?
Für den sehr sicherheitsorientierten Kunden liegt ein Vorteil darin, dass er mit dem Smartphone die Kontrolle behält – anders als bei einer Karte in der Geldbörse kann er beim Telefon die NFC-Funktion abstellen. Über die App lassen sich außerdem bestimmte Regeln einstellen, z.B. welche Karten nicht im Ausland genutzt werden sollen. Daneben ist der Kunde wie bei jeder anderen Visa-Zahlung gegen Missbrauch abgesichert.
„Entscheidend für den Kunden ist doch, dass er eine App zum mobilen Bezahlen überall einsetzen kann. Große Namen sind nicht zwingende Voraussetzung, aber sie würden ganz klar dabei helfen, das mobile Bezahlen in Schwung zu bringen.“
Trotz der Vorteile, die Sie nennen, ist Mobile Payment in Deutschland noch nicht so recht angekommen. Was müsste sich ändern, damit wir öfter mobil bezahlen?
Große Banken müssten es anbieten. Bisherige Versuche, Mobile Payment zu etablieren, krankten an der beschränkten Akzeptanz oder an der technischen Komplexität. Frühere Angebote der Mobilfunkanbieter erforderten eine spezielle SIM-Karte, die man erst einmal beantragen und dann ins Smartphone einsetzen musste, und die Netto-App lässt sich zum Beispiel nur in Nettomärkten zum Bezahlen nutzen.
Umständlich, wenn ich regelmäßig in unterschiedlichen Supermärkten einkaufe.
Ja. Entscheidend für den Kunden ist doch, dass er eine App zum mobilen Bezahlen überall einsetzen kann. So aber gibt es für den Kunden keinen Anreiz, sich anzumelden. Diese erste Hürde zu überspringen, fällt leichter, wenn er mit seiner App global und universal bezahlen kann. Nun haben wir in Deutschland aber die Situation, dass die großen globalen Player mit ihren Systemen noch nicht live sind.
Braucht es denn genau diese großen bekannten Anbieter, damit wir in Zukunft ganz selbstverständlich mit dem Smartphone bezahlen?
Das ist eine schwierige Frage, denn natürlich vertrauen die Kunden erst einmal ihrer Bank. Wenn eine Bank ein gutes Angebot macht, wie sich eine Karte ins Handy bringen lässt, kann ich mir vorstellen, dass die Kunden das auch nutzen. Große Namen sind also nicht zwingende Voraussetzung, aber sie würden ganz klar dabei helfen, das mobile Bezahlen in Schwung zu bringen.
„Ich bin sicher, dass sich der Deutsche von Mobile Payment überzeugen lässt, wenn ihm eine einfache und praktische App geboten wird.“
Studien sehen auch die Bargeldliebe der Deutschen als Hindernis für mobiles Bezahlen. Wie sehen Sie das?
Der Deutsche ist ein Bargeldnutzer und sicherlich ein bisschen zögerlich. Studien und unsere Erfahrungen zeigen, dass uns etwa nord- oder osteuropäische Länder voraus sind, aber ich bin sicher, dass sich der Deutsche von Mobile Payment überzeugen lässt, wenn ihm eine einfache und praktische App geboten wird. Das ist ein Punkt, an dem die großen Wallets tatsächlich einen Standard setzen. Da muss der Kunde nur in die App gehen, eine Karte mit der Kamera abfotografieren – und in 30 Sekunden ist er startklar. Wenn es so etwas in Deutschland gibt und die Banken noch eigene Funktionen hinzufügen, dann werden sich auch die Deutschen stärker darauf einstellen.
Was macht Sie da so sicher?
Dafür spricht der starke Zuwachs an Kontaktloszahlungen. Jetzt, wo große Supermärkte und Discounter kontaktloses Bezahlen anbieten – Lidl, Aldi, Rewe und wie sie alle heißen –, setzen viele Kunden ihre Karte kontaktlos ein. Ich glaube, das ist der erste Schritt. Wenn der Kunde es einmal gewohnt ist, die Karte nur ans Terminal zu halten, dann hilft das später auch, den nächsten Schritt zu gehen und mit dem Smartphone zu bezahlen.
„Wenn der Kunde an der Kasse sieht, wie Mobile Payment funktioniert, dann hat er eher einen Anreiz, es selbst auszuprobieren.“
Zum kontaktlosen Bezahlen mit der Kreditkarte sind wir also eher bereit als zum Mobile Payment. Woran außer am derzeitigen Angebot liegt das?
Nun ja, die Karte ist ja ohnehin schon da. Bankkunden bekommen die neue, kontaktlose Karte automatisch zugeschickt und können sie direkt einsetzen. Beim Handy ist es anders: Hier müssen sie die Karte erst in eine Wallet legen. Außerdem bieten noch nicht alle Banken Mobile Payment an, geben aber standardmäßig Kontaktloskarten aus. Kontaktloskarten gibt es auch schon deutlich länger. Der Kunde hatte also schon mehr Zeit, sich daran zu gewöhnen, und er hat kontaktloses Bezahlen auch schon öfter beobachten können. Wenn der Kunde an der Kasse sieht, wie Mobile Payment funktioniert, dann hat er eher einen Anreiz, es selbst auszuprobieren.
Wo kann ich in Deutschland denn schon kontaktlos bezahlen?
Neue Terminals, die seit letztem Jahr eingeführt wurden, sind alle kontaktlosfähig. Ab Ende 2019 sollen alle Terminals auf dem Markt kontaktlose Zahlungen ermöglichen. Die Händler haben also noch ein bisschen Zeit, aber in absehbarer Zeit sind Kontaktlostransaktionen flächendeckend möglich. Branchenschätzungen zufolge ist jedes vierte Terminal bereits kontaktlosfähig. Das Entscheidende ist aber, wo diese Terminals stehen. Wir haben in Deutschland hunderttausende Terminals, die in kleinen Änderungsschneidereien, in Boutiquen, bei Juwelieren oder in Blumenläden stehen – also in ganz vielen Einzelgeschäften, bei denen Kontaktloszahlungen gar nicht so sehr das Ziel sind. Wichtiger sind eher die Händler, die in kurzer Zeit viele Kunden bedienen. Aldi, Lidl, Rewe, Saturn, Media Markt – das sind solche großen Händler. Sie bieten kontaktloses Bezahlen mittlerweile an, sodass wir heute schon viel weiter sind, als die Zahlen zunächst vermuten lassen.
Kontaktloses Bezahlen ist unter anderem ja so bequem, weil ich bei Beträgen bis 25 Euro nicht einmal eine PIN eingeben oder unterschreiben muss. Nun gibt es aus dem Handel die Forderung, diese Grenze heraufzusetzen. Was halten Sie davon?
Europaweit gibt es einen klaren Trend, diese Grenzen anzuheben. In Großbritannien hat man die Grenze zum Beispiel auf 30 Pfund erhöht. Wir von Visa stehen so einer Anhebung offen gegenüber. Die Entscheidung liegt aber letztendlich bei den Banken. Zwar gibt es so gut wie keinen Betrug – sollte aber etwas passieren, dann ist der Kunde entsprechend der geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank geschützt. Der Konsument ist da auf der sicheren Seite. 25 Euro sind in Europa immer noch eine übliche Grenze. Der Durchschnittsbon liegt in der Regel sowieso darunter.
„Vieles lässt sich bezahlfähig machen.“
Außer mit Karte und Smartphone ist kontaktloses Bezahlen ja auch mit sogenannten Wearables möglich. Visa hat im letzten Jahr bei den Olympischen Spielen Payment-Ringe an die Wettkämpfer ausgegeben. War das eine reine Werbemaßnahme?
Das war ein Prototyp, ja. Wir wollten damit zeigen, was technisch möglich ist. Vieles lässt sich bezahlfähig machen und so ein Ring ist da eine charmante Lösung, weil man ihn unauffällig immer bei sich trägt. Häufiger sind da Uhren, die sich zum Bezahlen einsetzen lassen, zum Beispiel die Swatch Bellamy in der Schweiz.
Wie funktioniert das?
Da müssen wir zwei Verfahren unterscheiden. Der Ring etwa funktioniert wie eine Kontaktloskarte und ist mit einem Chip und einer Antenne versehen. Bei der Swatch, die seit April in der Schweiz erhältlich ist, ist es dasselbe. Das sind aber keine smarten Objekte, sie haben also keine eingebaute Intelligenz, sondern funktionieren wie eine Karte – im Gegensatz zu den smarten Wearables, wie zum Beispiel der Samsung Gear, die mit dem Smartphone kommunizieren. Hier können Kunden die Daten ihrer Visa Karte virtuell auf ihre Uhr laden und alles über die App auf ihrem Smartphone verwalten. Solche Geräte sind aus meiner Sicht massentauglicher. Die anderen sind eher Nischenprodukte.
„Egal, worum es geht […]: Ganz oft steht am Ende eine Bezahlung.“
Visa und IBM arbeiten schon an ganz anderen Bezahlmöglichkeiten. So soll es künftig möglich sein, mit Auto, Turnschuh oder Kühlschrank zu bezahlen. Wie lange muss ich mich noch gedulden, ehe mein Kühlschrank mein Essen bezahlt?
Der selbstständige Kühlschrank geistert schon seit Jahren durch die Presse. Das ist ein Beispiel, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann – wenn die Milch alle ist, bestellt der Kühlschrank neue. Aber erst jetzt, wo es auch Lieferservices wie den von Rewe oder Amazon Fresh gibt, lässt sich das allmählich umsetzen. Wirklich interessant wird es auch erst, wenn der Kühlschrank autonom entscheiden kann, wo er bestellt – je nachdem, wo zum Beispiel die Cola gerade billiger ist. Dafür müssen aber noch weitere Lieferservices hinzukommen. Bis der Kühlschrank tatsächlich selbst bezahlt, wird es also noch ein bisschen dauern, obwohl ich glaube, dass wir das prototypisch schon sehr bald sehen werden.
Wir arbeiten jetzt schon mit IBM zusammen, um von Anfang an dabei zu sein. Denn egal, worum es geht – ob nun den Kühlschrank, der Essen nachbestellt, oder den Turnschuh, der per Anbindung ans Smartphone mitteilt, wenn die Sohle abgenutzt ist: Ganz oft steht am Ende eine Bezahlung, die reibungslos und sicher getätigt werden soll.
Über Volker Koppe und Visa
Volker Koppe ist seit 2008 im Innovationsbereich von Visa tätig und verantwortet derzeit die Marktentwicklung und -einführung von Mobile-Payment-Lösungen in Zentraleuropa, mit Schwerpunkten auf Apple Pay, Samsung Pay und vergleichbaren Diensten. Vor seiner jetzigen Tätigkeit hat er maßgeblich an der Vermarktung der Debitkarte V PAY von Visa mitgewirkt. Bis 2007 war er für EURO Kartensysteme tätig, ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Kreditwirtschaft, das die Girocard in Deutschland vermarktet.
Visa Inc. gehört mit mehr als drei Milliarden ausgegebenen Visa Karten zu den größten Kreditkartenanbietern weltweit. Mit ihnen können Kunden derzeit in über 200 Ländern an mehr als 44 Millionen Akzeptanzstellen bezahlen.
Kontaktloses Bezahlen und Mobile Payment: So funktioniert's